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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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ich geraucht hatte. Jetzt hielt ich ihm meine Zigarette hin. Er hielt seine eigene an das glühende Ende und zog. ›Was ist denn das für eine Zigarette, die Sie da rauchen?‹ fragte er dann. ›Die riecht ja fast wie eine Zigarre!‹
      Es war eine französische Gauloise. Ich hatte einige Päckchen davon mitgenommen, als ich die Grenze überschritt. ›Geschenk von einem Freunde‹, erwiderte ich. ›Französisches Kraut. Schwarzer Tabak. Er hat sie von der Reise mitgebracht. Mir sind sie auch zu stark.‹
      Der SS-Mann lachte. ›Am besten, man ließe das Rauchen ganz bleiben, was? So wie der Führer. Aber wer kann das, besonders in diesen Zeiten?‹ Er grüßte und ging.«
    Schwarz lächelte schwach. »Als ich noch ein Mensch war, der das Recht hatte, seine Füße irgendwohin zu stellen, habe ich oft gezweifelt, wenn ich las, wie die Schriftsteller Angst und Schreck beschrieben - daß dem Opfer das Herz stillstehe, daß er wie erstarrt dastände, daß es ihm eisig den Rücken herunter und durch die Adern liefe, daß ihm der Schweiß am ganzen Körper ausbreche -; ich hielt das für Klischees und schlechten Stil, und es mag sein, daß er das ist; aber eines ist es auch: es ist wahr. Ich habe das alles empfunden, genau so, obschon ich früher, als ich noch nichts davon wußte, darüber gelacht habe.«
      Ein Kellner kam heran: »Wollen die Herren keine Gesellschaft?«
    »Nein.«
      Er beugte sich tiefer zu mir herunter. »Wollen Sie nicht, bevor Sie ganz ablehnen, die beiden Damen an der Bar ansehen?«
      Ich sah sie an. Eine von ihnen schien sehr gut gewachsen zu sein. Beide trugen enge Abendkleider. Die Gesichter konnte ich nicht erkennen. »Nein«, sagte ich noch einmal.
      »Es sind Damen«, erklärte der Kellner. »Die rechts ist eine deutsche Dame.«
    »Hat sie Sie hergeschickt?«
      »Nein, mein Herr«, erwiderte der Kellner mit einem hinreißend unschuldigen Lächeln. »Es war ein Gedanke von mir.«
      »Gut. Beerdigen Sie ihn. Bringen Sie uns lieber etwas zu essen.«
    »Was wollte er?« fragte Schwarz.
      »Uns verkuppeln mit der Enkelin Mata Haris. Sie müssen ihm zuviel Trinkgeld gegeben haben.«
      »Ich habe noch nicht bezahlt. Sie glauben, es seien Spioninnen?«
      »Vielleicht. Aber für die einzige Internationale der Welt: Geld.« »Deutsche?« »Eine«, sagt der Kellner.
      »Glauben Sie, daß sie hier ist, Deutsche zurückzulocken?«
    »Kaum. Für Menschenraub sind eher die Russen jetzt Spezialisten.« Der Kellner brachte einen Teller mit belegten Broten. Ich hatte sie bestellt, weil ich den Wein fühlte. Ich wollte klar bleiben. »Essen Sie nicht?« fragte ich Schwarz.
      Er schüttelte abwesend den Kopf. »Ich hatte nicht daran gedacht, daß die Zigaretten mich hätten verraten können«, sagte er. »Jetzt kontrollierte ich noch einmal alles, was ich bei mir hatte. Die Streichhölzer, die noch aus Frankreich waren, warf ich mit dem Rest der Zigaretten weg und kaufte mir deutsche. Dann fiel mir ein, daß mein Paß einen französischen Einreisestempel und ein Visum hatte; daß die französischen Zigaretten also gerechtfertigt gewesen wären, hätte man mich revidiert. Ich ging, naß von Schweiß und ärgerlich auf mich und meine Angst, zur Telefonkabine zurück.
      Ich mußte warten. Eine Frau mit einem großen Parteiabzeichen rief zwei Nummern nacheinander an und bellte Befehle. Die dritte Nummer antwortete nicht, und die Frau kam wütend und herrisch heraus.
      Ich rief die Nummer meines Freundes an. Eine Frauenstimme antwortete. ›Bitte, kann ich mit Doktor Martens sprechen?‹ fragte ich und merkte, daß ich heiser war. ›Wer ist am Apparat?‹ fragte die Frau.
      ›Ein Freund von Doktor Martens.‹ Ich konnte meinen Namen nicht verraten. Ich wußte nicht, ob es seine Frau oder ein Dienstmädchen war, aber beiden konnte ich mich nicht preisgeben.
    ›Ihren Namen bitte!‹ sagte die Frau.
      ›Ich bin ein Freund von Doktor Martens‹, erwiderte ich. ›Bitte, melden Sie ihm das. In einer dringenden Angelegenheit.‹
      ›Bedaure‹, erwiderte die Frauenstimme. ›Wenn Sie Ihren Namen nicht angeben, kann ich Sie nicht anmelden.‹
      ›Sie müssen eine Ausnahme machen -‹, sagte ich. ›Doktor Martens erwartet meinen Anruf.‹
    ›Wenn das so ist, können Sie mir ja auch Ihren Namen sagen -‹
      Ich dachte verzweifelt nach. Dann hörte ich, wie der Hörer aufgehängt wurde.
      Ich stand auf dem grauen, windigen Bahnhof Mein erster Versuch,

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