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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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einer, der mir sehr einfach erschienen war, war mißlungen, und ich wußte schon nicht mehr weiter. Vielleicht war es doch nötig, Helen direkt anzurufen und zu riskieren, daß jemand aus ihrer Familie mich an der Stimme erkannte. Ich konnte auch einen anderen Namen angeben, aber welchen? Doktor Martens - ein anderer fiel mir im Augenblick nicht ein. Ich zauderte noch, als mir die Idee kam, auf die ich als zehnjähriger Junge sofort gekommen wäre. Warum rief ich nicht bei Martens unter dem Namen des Bruders meiner Frau an? Er kannte ihn, und vor zehn Jahren hatte er ihn bereits nicht ausstehen können.
      Ich tat es sofort. Dieselbe Frauenstimme war wieder am Apparat. ›Hier ist Georg Jürgens‹, erklärte ich scharf. ›Doktor Martens bitte.‹
    ›Sind Sie der Herr, der vorhin angerufen hat?‹
      ›Hier ist Sturmbannführer Jürgens. Ich möchte Doktor Martens sprechen. Sofort!‹
    ›Ja‹, sagte die Frau. ›Einen Augenblick! Gleich!‹«
      Schwarz sah mich an. »Kennen Sie das entsetzliche leise Rauschen im Hörer, wenn man am Telefon aufsein Leben wartet?«
      Ich nickte. »Es braucht nicht einmal das Leben zu sein, auf das man wartet. Es kann auch das Nichts sein, das man zu beschwören sucht.«
      »›Hier ist Doktor Martens‹, hörte ich endlich«, sagte Schwarz. »Ich spürte wieder einen der Zustände, über die ich früher gelacht hätte. Meine Kehle war trocken.
    ›Rudolf‹, flüsterte ich schließlich.
    ›Wie bitte?‹
      ›Rudolf‹, sagte ich. ›Hier ist ein Verwandter von Helen Jürgens.‹
      ›Ich verstehe nicht. Ist dort nicht Sturmbannführer Jürgens?‹
      ›Ich rufe für ihn an, Rudolf. Für Helen Jürgens. Verstehst du jetzt?‹
      ›Ich verstehe durchaus nicht‹, sagte der Mann am anderen Ende irritiert. ›Ich bin in der Sprechstunde -‹
      ›Kann ich zu dir in die Sprechstunde kommen, Rudolf? Bist du sehr besetzt?‹
    ›Ich muß Sie doch bitten! Ich kenne Sie nicht, und Sie -‹
    ›Old Shatterhand‹, sagte ich.
      Mir war endlich eingefallen, wie wir uns als Jungen genannt hatten, wenn wir Indianer gespielt hatten. Es waren Namen aus den Romanen Karl Mays. Wir hatten die Bücher als Zwölfjährige verschlungen. Ich hörte einen Augenblick nichts. Dann sagte Martens leise: ›Was?‹
      ›Winnetou‹, erwiderte ich. ›Hast du die alten Namen vergessen? Es sind doch die Lieblingsbücher des Führers.‹
      ›Richtig‹, sagte er. Es war bekannt, daß der Mann, der den Zweiten Weltkrieg begonnen hat, als Lektüre in seinem Schlafzimmer die dreißig oder mehr Bände eines Schriftstellers über Indianer, Trapper und Jäger stehen hatte, die man als Junge von fünfzehn Jahren bereits als leicht lächerlich zu empfinden begonnen hatte.
      ›Winnetou?‹ wiederholte Martens mit ungläubiger Stimme.
    ›Ja. Ich muß dich sehen.‹
    ›Ich verstehe das nicht. Wo sind Sie?‹
    ›Hier. In Osnabrück. Wo können wir uns sehen?‹
      ›Ich bin in der Sprechstunde‹, erklärte Martens mechanisch.
    ›Ich bin krank. Ich kann in die Sprechstunde kommen.‹
      ›Ich verstehe das alles nicht‹, sagte Martens mit einer Stimme, die einen Entschluß anzeigte. ›Wenn Sie krank sind, kommen Sie doch in die Sprechstunde. Wozu extra telefonieren?‹
    ›Wann?‹
      ›Am besten um sieben Uhr dreißig. Um sieben Uhr dreißig‹, wiederholte er. ›Nicht früher!‹
    ›Gut, um sieben Uhr dreißig.‹
      Ich legte den Hörer hin. Ich war wieder naß von Schweiß. Langsam ging ich zum Ausgang. Draußen war ein blasser halber Mond zwischen den Wolken für Augenblicke sichtbar. In knapp einer Woche wird Neumond sein, dachte ich. Eine gute Zeit, die Grenze zu kreuzen. Ich sah auf die Uhr. Es war noch eine dreiviertel Stunde Zeit. Ich mußte vom Bahnhofweg. Es war immer verdächtig, wenn man dort zu lange herumlungerte. Ich ging die Straße hinunter, die am dunkelsten und am wenigsten belebt war. Sie führte zu den alten Wällen der Stadt. Ein Teil war planiert und mit hohen Bäumen bewachsen; ein anderer Teil war so wie früher geblieben und führte am Fluß entlang. Ich folgte ihm, über einen Platz, an der Herz-Jesu-Kirche vorbei.
      Vom oberen Wall konnte man über den Fluß hinweg die Dächer und Türme der Stadt sehen. Die barocke Kuppel des Domes schimmerte im unruhigen Licht. Ich kannte diesen Blick; er war auf tausend Postkarten reproduziert. Ich kannte auch den Geruch des Wassers und den Geruch der Lindenallee, die sich den Wall entlang

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