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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Schwester allein reden, können Sie das nicht verstehen?‹ fragte er.
      ›Haben Sie mich mit ihr allein reden lassen, als Sie mich verhaften ließen?‹ fragte ich zurück.
    ›Das war etwas ganz anderes‹, schnaubte Georg.
      ›Bei Georg und seinen Parteigenossen ist es immer etwas anderes, wenn sie dasselbe tun wie andere Menschen‹, sagte Helen sarkastisch. ›Wenn sie Leute, die anderer Meinung sind als sie, einsperren oder totschlagen, verteidigen sie damit die Freiheit des Denkens; wenn sie dich ins Konzentrationslager schickten, verteidigten sie die besudelte Ehre ihres Vaterlandes - ist das nicht so, Georg?‹
    ›Genauso!‹
      ›Außerdem hat er immer recht‹, sagte Helen. ›Er hat nie Zweifel und nie ein schlechtes Gewissen. Er steht auch immer auf der richtigen Seite, auf der Seite der Macht. Er ist wie sein Führer - der friedlichste Mensch der Welt, wenn die anderen nur tun, was er für richtig hält. Die Störenfriede sind immer die andern. Ist das nicht so, Georg?‹
    ›Was hat das mit uns hier zu tun?‹
      ›Nichts‹, sagte Helen. ›Und alles. Siehst du nicht, wie lächerlich du hier wirkst, du Säule der Rechthaberei in dieser toleranten Stadt? Selbst in Zivil hast du immer noch Stiefel an, um auf anderen herumtrampeln zu können. Aber hier hast du keine Macht, noch nicht! Hier kannst du mich nicht in deine nach Schweiß stinkende, plattfüßige Partei-Frauenschaft einschreiben lassen! Hier kannst du mich auch nicht überwachen wie eine Gefangene! Hier kann ich atmen, und hier will ich atmen.‹
      ›Du hast einen deutschen Paß! Es gibt Krieg. Du wirst hier ins Gefängnis gesteckt werden.‹
    ›Noch nicht! Und dann immer noch lieber hier als bei euch! Denn ihr würdet mich auch einsperren müssen! Ich würde nicht mehr wie eine Stumme herumgeistern, nachdem ich einmal wieder die süße Luft der Freiheit geatmet habe und euch entronnen bin, euren Kasernen und Brutanstalten und eurer trostlosen Schreierei!‹
      Ich stand auf. Ich wollte nicht, daß sie sich preisgab vor dem nationalistischen Klotz, der sie nie verstehen konnte. ›Der da ist schuld!‹ schnarrte Georg. ›Der verfluchte Kosmopolit! Er hat dich verdorben! Warte, Bursche, wir werden noch abrechnen!‹
      Er stand auch auf. Es wäre ihm nicht schwergefallen, mich niederzuschlagen. Er war bedeutend stärker als ich, und mein rechter Arm war im Ellbogengelenk etwas steif geblieben nach einem Tag nationaler Erziehung im Konzentrationslager. ›Rühr ihn nicht an!‹ sagte Helen sehr leise.
      ›Mußt du den Feigling verteidigen?‹ fragte Georg. ›Kann er das nicht selbst?‹«
      Schwarz wendete sich mir zu. »Es ist eine merkwürdige Sache mit der körperlichen Überlegenheit. Sie ist die primitivste, die es gibt, und hat nichts mit Mut und Männlichkeit zu tun. Ein Revolver in der Hand eines Krüppels kann sie zunichte machen. Sie ist eine Sache von Pfunden und Muskeln, weiter nichts - aber trotzdem fühlt man sich gedemütigt, wenn man ihrer Brutalität begegnet. Jeder weiß, daß wirklicher Mut anderswo beginnt, und daß das Muskelpaket, das herausfordert, da wahrscheinlich elend versagen würde - trotzdem suchen wir nach lahmen Erklärungen und überflüssigen Entschuldigungen und fühlen uns jämmerlich, wenn wir ablehnen, zum Krüppel geschlagen zu werden. Ist das nicht so?«
    Ich nickte. »Sinnlos, aber deshalb besonders kränkend.«
    »Ich hätte mich verteidigt«, sagte Schwarz. »Selbstverständlich hätte ich das!«
      Ich hob die Hand. »Herr Schwarz, wozu? Mir brauchen Sie das nicht zu erklären.«
      Er lächelte schwach. »Das ist wahr. Aber sehen Sie, wie tief es sitzt, daß ich es sogar jetzt noch erklären will? Wie ein Widerhaken im Fleisch. Wann hört das bißchen männliche Eitelkeit auf?«
    »Was geschah?« fragte ich. »Kam es dazu?«
      »Nein. Helen begann plötzlich zu lachen. ›Sieh dir diesen Dummkopf an!‹ sagte sie zu mir. ›Er glaubt, wenn er dich niederschlägt, würde ich so an deiner Männlichkeit verzweifeln, daß ich reuig in das Land des einseitigen Faustrechts zurückkehren würde.‹ Sie wendete sich zu Georg. ›Du mit deinem Geschwätz von Mut und Feigheit! Der da -‹ sie zeigte auf mich, ›- hat mehr Mut gehabt, als du dir jemals vorstellen kannst! Er hat mich geholt. Er ist meinetwegen zurückgekommen und hat mich geholt.‹
    ›Was?‹ Georg glotzte mich an. ›Nach Deutschland?‹
      Helen besann sich. ›Das ist gleich. Ich bin hier, und ich

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