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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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komme nicht zurück.‹
    ›Geholt? Dich?‹ fragte Georg. ›Wer hat ihm geholfen?‹
      ›Niemand‹, sagte Helen. ›Du möchtest wohl rasch wieder ein paar Leute verhaften, wie?‹
      Ich hatte sie nie so gesehen. Sie war so geladen mit Abwehr, Abscheu, Haß und funkelndem Triumph, entkommen zu sein, daß sie bebte. Mir ging es ähnlich; aber bei mir kam auf einmal, wie ein Blitz, der blendete, etwas anderes hinzu - der jähe Gedanke an Rache. Georg hatte hier keine Macht! Er konnte nicht seiner Gestapo pfeifen. Er war allein.
    Der Gedanke verwirrte mich so, daß ich nicht wußte, was ich im Augenblick tun sollte. Ich konnte mich nicht prügeln und wollte es auch nicht; ich wollte das Wesen vor mir auslöschen. Es sollte nicht mehr existieren. So wie die Inkarnation des Bösen keines Urteils bedarf, um es zu vernichten, so schien es mir mit Georg. Ihn zu vernichten, bedeutete nicht nur Rache - es bedeutete auch, Dutzende unbekannter künftiger Opfer zu retten. Ich ging, ohne daran zu denken, was ich tat, zur Tür. Ich wunderte mich, daß ich nicht taumelte. Ich mußte allein sein. Ich mußte überlegen. Helen sah mich aufmerksam an. Sie sagte nichts. Georg beobachtete mich verächtlich und setzte sich dann wieder. ›Endlich!‹ knurrte er, als ich die Tür hinter mir schloß.
      Ich ging die Treppe hinunter. Man roch das Mittagessen; es gab Fisch. Auf dem Treppenabsatz stand eine italienische Truhe. Ich war oft daran vorbeigegangen, aber ich hatte sie nie bemerkt. Jetzt sah ich die Schnitzerei so genau, als wollte ich sie kaufen. Ich ging wie ein Nachtwandler weiter. Im zweiten Stock stand eine Tür offen. Das Zimmer war hellgrün gestrichen, die Fenster standen offen, und das Zimmermädchen drehte die Matratze des Bettes um. Sonderbar, was man alles sieht, wenn man glaubt, vor Erregung nichts zu sehen!
      Ich klopfte an die Tür eines Bekannten, der im ersten Stock wohnte. Er hieß Fischer und hatte mir einmal einen Revolver gezeigt, den er besaß, um das Leben erträglicher zu finden. Die Waffe gab ihm die Illusion, freiwillig das karge und trostlose Dasein eines Emigranten zu fuhren, weil er die Wahl hatte, es abzubrechen, wann er wollte.
    Fischer war nicht da, aber sein Zimmer war nicht verschlossen. Er hatte nichts zu verbergen. Ich ging hinein, um auf ihn zu warten. Ich wußte nicht genau, was ich wirklich wollte, obschon ich wußte, daß ich die Waffe von ihm leihen mußte. Es war sinnlos, Georg im Hotel zu töten, das war mir klar; es hätte Helen und mich und die anderen Emigranten, die hier lebten, gefährdet. Ich setzte mich auf einen Stuhl und versuchte, ruhig zu werden. Es gelang mir nicht. Ich saß da und starrte vor mich hin.
      Ein Kanarienvogel fing plötzlich an zu singen. Er hing in einem Drahtbauer zwischen den Fenstern. Ich hatte ihn vorher nicht gesehen und schreckte auf, als hätte mich jemand gestoßen. Gleich darauf kam Helen herein.
    ›Was machst du hier?‹ fragte sie.
    ›Nichts. Wo ist Georg?‹
    ›Er ist fort.‹
      Ich wußte nicht, wie lange ich in Fischers Zimmer gewesen war. Es schien mir sehr kurz. ›Kommt er wieder?‹ fragte ich.
      ›Ich weiß es nicht. Er ist hartnäckig. Weshalb bist du aus dem Zimmer gegangen? Um uns allein zu lassen?‹
      ›Nein‹, sagte ich. ›Nicht deshalb, Helen. Ich konnte ihn plötzlich nicht mehr ertragen.‹ Sie stand in der Tür und sah mich an. ›Haßt du mich?‹
    ›Ich dich hassen?‹ fragte ich tief erstaunt. ›Warum.‹
      ›Es fiel mir ein, als Georg weg war. Hättest du mich nicht geheiratet, wäre dir das alles nicht passiert.‹
      ›Es wäre mir dasselbe passiert. Oder noch Schlimmeres. Es kann sein, daß Georg in seiner Weise sogar noch Rücksicht deinetwegen genommen hat. Ich bin nicht in den elektrischen Stacheldraht getrieben und nicht an einem Fleischerhaken erhängt worden. - Ich dich hassen! Wie kannst du nur an so etwas denken!‹
    Ich sah auf einmal hinter den Fenstern Fischers wieder den grünen Sommer. Das Zimmer lag nach hinten, und im Hof stand eine große Kastanie, durch deren Blätter die Sonne schien. Der Krampf in meinem Nacken löste sich wie ein Katzenjammer am späten Nachmittag. Ich fühlte mich selbst wieder. Ich wußte, welcher Tag es war und daß der Sommer draußen stand, daß ich in Paris war, und daß man nicht Menschen erschießt wie Hasen. ›Ich könnte mir eher denken, du würdest mich hassen‹, sagte ich. ›Oder verachten.‹
    ›Ich?‹
      ›Ja. Weil ich deinen

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