Die Nacht von Sinos
»Wenn es ganz unangenehm wird, hauen Sie mit der ›Gentle Jane‹ ab. Warten Sie in Kyros auf mich. Ich sorge dafür, daß Sie auch in der Ägäis genug Arbeit bekommen.«
»Und ich soll ein Vermögen von Zweihunderttausend Pfund diesem Ibrahim und seinen Kumpanen überlassen? Kommt nicht in Frage.«
»Und was ist, wenn Guyon Sie um Hilfe bittet? Werden Sie ihn abweisen?«
Genau diese Frage wollte ich unter gar keinen Umständen hören. Ich sagte: »Ich werde für keine Seite Partei ergreifen. Davon habe ich die Nase voll: Palästina, Malaya, Korea, Zypern. Immer der Krieg anderer Leute. Zum Teufel mit dem Soldatenspielen.«
Ich wandte mich verärgert ab und sah Sarah Hamilton an einem Tisch in unserer Nähe sitzen. Sie hatte alles gehört.
»Und Sie können meinetwegen auch in der Hölle braten«, fuhr ich sie an und rannte durch die Fenstertür hinaus in den Garten.
Eine schmale Mondsichel hing in den Zweigen der Zypressen, und auf der anderen Seite des Gartens bewegten sich die Palmen in der leichten Brise. Auf diesen Garten war Yanni besonders stolz, und die frische Nachtluft war hier voll köstlicher Düfte.
Ich schlenderte ziellos über die Plattenwege, die Schultern vorgebeugt, die Hände tief in den Taschen vergraben, eine kalte Zigarette im Mundwinkel, weil ich kein Streichholz finden konnte. Der viktorianische Brunnen zog mich magisch an. Eine jungfräulich wirkende Dame spie Wasser und wurde dabei von einem halben Dutzend Engelchen zweifelhaften Geschlechts unterstützt.
Ich stellte einen Fuß auf den Brunnenrand und starrte in die Nacht. Da tauchte vor mir eine Hand mit einem goldenen Feuerzeug auf. Wieder dieses verdammte Parfüm. Ich zündete meine Zigarette an und drehte mich zu ihr um.
»Heißt das Zeug wirklich ›Intimacy‹, oder war das ein Witz?«
Sie setzte sich auf die Kante des Brunnens und spielte mit der Hand im Wasser. »Ich mag Brunnen, Sie beruhigen mich. Wir hatten zu Hause einen ganz ähnlichen, als ich noch ein kleines Mädchen war.«
»Also vor tausend Jahren?«
»Mindestens.« Ihr Gesicht sah jetzt ganz anders aus. Sie war wieder das kleine Mädchen in dem verschwiegenen Garten, von dem das Leben durch eine hohe Steinmauer ferngehalten wurde. Dann fiel sie in ihre gewohnte Rolle zurück, ihre Stimme wurde härter.
»Kytros hat Sie also angeschmiert?«
Ich sah sie scharf an. »Sie sollten sich was schämen, andere Leute zu belauschen.«
Sie wurde böse. »Müssen Sie denn alles ironisch nehmen?«
»Wie soll man sonst in dieser verrückten Welt den Verstand behalten?«
»Da gibt es noch verschiedene Möglichkeiten.«
»Oh ja, natürlich, daran dachte ich im Augenblick nicht«, sagte ich. »Mit dem ›Kamasutra‹ neben dem Bett und siebenundfünfzig Variationen mit jedem dritten Mann, dem man auf der Straße begegnet. War das nicht im vergangenen Jahr der neueste Sport für den Jet-Set?«
»Großartig war's«, antwortete sie ruhig.
Ich konnte nicht anders, ich mußte einfach lachen. »Als Sie gemacht wurden, ist dem lieben Gott die Form kaputt gegangen.«
»Siebenhundertdreiundzwanzig Jahre Erziehung«, sagte sie. »Die machen sich bemerkbar. Aber steht es wirklich so schlimm?«
»Ja, vielleicht sind sie zufrieden, wenn sie Guyon erwischen.«
»Und wenn nicht?«
»Acht Jahre Zwangsarbeit.«
Ich trat ein paar Schritte zur Seite und spitzte die Ohren, weil ich unten im Hafen einen Motor anspringen hörte.
»Erzählen Sie mir von Ihrer Frau«, bat sie ganz ruhig.
»Sie haben sich mit Morgan unterhalten?«
»Ich bin überzeugt, daß er für mich durchs Feuer ginge.«
Seltsamerweise war ich gar nicht verärgert. Ich war sogar bereit, den Namen zum erstenmal seit Jahren wieder auszusprechen, obgleich mich bisher eine fast abergläubische Furcht davon abgehalten hatte.
»Das ist rasch erzählt. Ich lernte Grace kurz nach dem Palästina-Konflikt 1948 kennen. Damals war ich ein vielversprechender junger Leutnant, zumindest auf dem Papier.«
»Und was ging schief?«
»Ich hab's nur bis zum Captain geschafft. Acht Jahre später, nach Malaya, Korea und Zypern, war ich immer noch Captain.«
»Aus einem bestimmten Grund?«
»Erstens war ich ein unangenehmer Untergebener, und zweitens hatte ich meinen irischen Paß behalten, das gefiel ihnen nicht. Grace und ich sahen uns nur etwa zweimal im Jahr, und Kinder hatten wir auch nicht. Da verließ sie mich 1957 und heiratete ein Jahr später einen Amerikaner.«
»Gut gegangen?«
»So viel ich weiß, ja. Er ist an Fort
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