Die Nacht von Sinos
Nitroglyzerin, die eine Mirage im Wert von mehreren Millionen Dollar in kleine Stückchen zerfetzten.
Ich hätte ihnen schon sagen können, wo sich Raoul Guyon befand.
3
Im Scheinwerferlicht des Motorboots wurde allen klar, was passiert war. Die Wasseroberfläche war mit Wrackteilen übersät, Stücke des Rumpfes schwammen überall umher. Die Zerstörung war so vollkommen, daß ich annahm, auch die Bordraketen der Mirage mußten explodiert sein.
Ibrahim packte mich an der Schulter und drehte mich herum. »Und jetzt wollen Sie uns sicher erzählen, daß Sie nichts damit zu tun hatten.«
»Ich war seit dem frühen Nachmittag im Hotel«, antwortete ich geduldig. »Dafür gibt's viele Zeugen.«
»Er hat recht, Major«, sagte Hakim. »Sie sind auf der falschen Fährte. Unser Mann heißt Guyon.«
Aber Ibrahim ließ nicht locker. Er wollte mich unbedingt hereinlegen. »Woher sollen wir wissen, daß er nicht eine Sprengladung befestigt hat, als er heute nachmittag tauchte?«
Aber das ging selbst Hakim zu weit. »Seien Sie doch nicht albern. Muß ich Sie daran erinnern, daß wir alle dabei waren und jeden seiner Handgriffe beobachteten?« Er drehte sich zu dem Marineleutnant um, der mit gleichgültigem Gesicht danebenstand. »Sie bringen uns so rasch wie möglich in den Hafen zurück und suchen dann das ganze Gebiet sorgfältig ab.«
»Ich muß protestieren«, begann Ibrahim noch einmal. Da versetzte ihm Hakim einen Nackenhieb.
»Major, Sie haben ein großes Maul und nichts weiter. Was ich von Ihnen verlange, sind weniger Worte und mehr Taten. Ich lasse Ihnen bis Mitternacht Zeit, Guyon zu finden. Sollte Ihnen das nicht gelingen, muß ich leider den Vorgesetzten Ihrer Dienststelle von dieser bedauerlichen Tatsache in Kenntnis setzen und Sie ablösen lassen. Haben Sie mich verstanden?«
Ibrahim war den Tränen nahe, als er kehrtmachte und davonstapfte.
Hakim bot mir eine Zigarette an. Ich nahm sie und fragte: »Sie können also auch hart sein, wenn Sie wollen?«
Er lächelte sanft. »Sie vergessen, daß ich eine sehr strenge englische Schule genossen habe, Mr. Savage.«
Er ließ mich im Hotel mit der strikten Anweisung zurück, es ohne Erlaubnis nicht zu verlassen. Das machte er mir höflich aber unmißverständlich klar, und die beiden Militärpolizisten an der Tür waren auch nicht nur Dekoration.
Die Bar war leer bis auf Morgan, der schon mehr als das übliche Quantum konsumiert hatte. Er lag quer über dem Tisch und hatte die Augen weit aufgerissen. Ich zerrte ihn hoch und versetzte ihm eine sanfte Ohrfeige. Mit einem Ruck kehrte er ins Leben zurück.
»Los, 'raus zum Landrover, ausschlafen!« befahl ich.
Das Reden fiel ihm schwer. »Was ist mit Guyon?«
»Weiß der Himmel, jedenfalls ist das ein ganz schönes Schlamassel. Ich erzähl's dir später. Los, raus hier.«
Ich versetzte ihm einen Stoß in Richtung Hotelhalle und kehrte zur Bar zurück. Kytros war aus seinem Büro herausgekommen, hatte eine Petroleumlampe auf die Theke gestellt und sah mich sehr ernst an.
»Die Mirage?« fragte er.
Ich nickte. »Geben Sie mir einen Whisky, ich hab' ihn nötig.«
Die Barmixer waren nicht mehr da. Er goß mir den Whisky selbst ein und trank ein Glas mit mir, was höchst ungewöhnlich war.
»Kein Anzeichen von Guyon?«
»Keine Spur. Die Wache auf dem Boot hat ins Wasser geschossen, als wir in den Hafen zurückkamen, aber es war vermutlich falscher Alarm. Bei der Ladung, die er benutzt hat, dürfte es ihn ebenfalls in Stücke gerissen haben.«
Er schüttelte sich bei diesem Gedanken und goß sich noch einen Whisky ein. »Was ist los?« fragte ich. »Ist Ihnen eine Laus über die Leber gelaufen?«
Er versuchte mühsam zu lächeln, aber es steckte viel, viel mehr dahinter. Er wich meinem Blick aus.
»Großer Gott«, flüsterte ich, »Sie haben's gewußt. Sie haben es die ganze Zeit gewußt, wie?«
»Aber das ist doch absurd, Jack.«
Er wollte mir ausweichen, aber ich ließ nicht mehr locker. »Jetzt verstehe ich: diese Fahrten nach Kyros. Sie haben das Zeug für sie 'rausgeschmuggelt. Dafür müssen sie Ihnen ein Vermögen gezahlt haben.«
Darüber lächelte er nun wirklich. »Ich muß zugeben, das war eines meines lukrativsten Unternehmen.« Ich konnte mein Lachen nicht unterdrücken. »Gleichgesinnte erkennen sich eben«, fügte er ruhig hinzu.
»Das hilft mir auch nicht weiter. Ich will auf gar keinen Fall Stellung beziehen, und was zum Teufel soll ich nun machen?«
»Weitermachen«, sagte er.
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