Die Nacht von Sinos
wehtut. Er vergaß seine neurotische Angst und packte mich bei den Armen. Eine solche Kraft habe ich noch nie zuvor erlebt. Wie einen Gummiball warf er mich durch den Salon und selbst Ciasim, der mir helfen wollte, wurde genauso mühelos hinterher geschleudert.
»Hören Sie mir zu, Savage.« Aleko hatte Schaum vor dem Mund. »Sie kamen in mein Dorf, die Roten, im Bürgerkrieg.« Ich wollte mich wehren, aber er packte meine Kehle. »Sie haben alle umgebracht, Savage, einen nach dem anderen.«
Es war, als starrte er in einen Abgrund des Entsetzens. »Meine Mutter, meine zwei Schwestern. Ich habe unter einem Heuhaufen im Hof gelegen, Savage. Ich habe dort gelegen und nichts getan, verstehen Sie mich? Ich hatte solche Angst, daß ich zusah, wie sie die anderen mißhandelten.«
Ich fühlte mich in jene Nacht zurückversetzt. Wie alt war er damals? Vielleicht dreizehn? Ein kleiner Junge, der Angst vor der Dunkelheit hat und der seitdem diese Angst verflucht und nicht mehr los wird. Er bat nicht um Gnade oder Verständnis, er suchte keine Vergebung.
Plötzlich ließ er mich los, drehte sich um und schwankte. Sein Hemd klebte ihm am Rücken. In Ciasims ironischem Blick lag fast so etwas wie Mitleid, aber als Aleko sich blindlings an Sarah festhalten wollte, wandte sie sich von ihm ab und klammerte sich mit geschlossenen Augen an der Bar fest.
Er stolperte zu einem Stuhl hinüber und ließ sich darauf niedersinken. Eine Sekunde später klapperte ein Schlüssel, und Melos trat ein. Sein Gesicht war vor Wut dunkel angelaufen. Er ging hinter die Bar und griff nach der Ginflasche.
»Alles umsonst«, sagte er. »Das ganze verdammte Unternehmen. Was halten Sie davon, Savage?«
»Ist er tot?«
»Hat überhaupt nicht die Augen aufgemacht.« Er trank aus der Flasche, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und fragte mich: »Hat er Ihnen noch etwas gesagt, Savage?«
»Über die Maschine?« Ich zuckte mit den Achseln. »Wir hatten keine Zeit zum Reden. Wir haben nur zugesehen, daß wir da rauskamen. Sie wissen ja selbst, in welchem Zustand er war.«
Er blinzelte mich mißtrauisch an, und dann betrachtete er Ciasims regungsloses Gesicht. »Für möglich halte ich es schon. Mal sehen, was Kytros zu sagen hat. Er war lange genug bei ihm unten.«
Er stieß einen Pfiff aus. Kapelari und Christou brachten Yanni Kytros hereingeschleppt. Lazanis schloß die Tür, er lehnte sich mit schußbereiter MP dagegen.
Kytros sah nicht gut aus. Anscheinend konnte er immer noch nicht auftreten, sein Mund war geschwollen und sein Hemd blutig. Er versuchte, tapfer zu lächeln, aber er konnte keinem etwas vormachen.
Melos trank noch einen Schluck, stellte dann die Flasche vorsichtig hin und ging einen Schritt auf Yanni zu. »Ist Pavlo noch einmal zu sich gekommen, als Sie allein mit ihm in der Kabine waren? Haben Sie ihn nach der genauen Position der Maschine gefragt?«
Kytros lächelte wieder. »Ich würde Ihnen gern helfen, Major Melos, und wenn ich damit nur mir helfen könnte, aber aus einem Stein kann man kein Blut pressen.«
Das war ein unglücklicher Vergleich, denn Melos schlug ihn hart ins Gesicht. »Darauf würde ich mich an Ihrer Stelle nicht verlassen. Ich werde Ihnen dieselbe Frage noch einmal stellen, aber bevor ich das tue, möchte ich Ihnen detailliert erzählen, was mit Ihnen geschieht, wenn Sie nicht antworten.«
»Und wenn ich es überhaupt nicht weiß«, warf Kytros ein.
»Wir nehmen Sie mit ins Bad, ziehen Sie aus und legen Sie in eine Wanne mit herrlich kaltem Wasser. Dann schließe ich Sie an ein paar Drähte an, Kytros, Finger, Zehen und so weiter. Wir schalten den Strom ein. Das ist nicht nur außerordentlich schmerzhaft, sondern es hat auch unangenehme Nachwirkungen. Andere haben diese Methoden bereits mit großem Erfolg praktiziert.«
Melos versetzte ihm einen weiteren Fausthieb. Am rechten Mundwinkel tauchte eine Platzwunde auf.
»Danke«, sagte Kytros. Das erstaunlichste war, daß er immer noch lächelte. »Ich bin trotzdem stolz, ein Grieche zu sein, sogar in Ihrer Gesellschaft.«
»Bringt ihn weg«, befahl Melos.
In der nun folgenden Stille sagte jemand mit der müdesten Stimme, die ich je gehört habe: »Eine Viertelmeile vor dem Türkenkopf an der Nordostküste Kretas liegt eine unbewohnte Insel namens Kapala. Sie finden die Piper Aztec etwa zweihundert Meilen nördlich davon im flachen Wasser.«
Er drehte sich lächelnd zu mir um. »Sie sind im Herzen doch sentimental, Mr. Savage. Deshalb sind
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