Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
verzerrte sein Gesicht zu einer grauenvollen Maske. Er geriet in solche Panik, daß er in einer Reflexbewegung abdrückte und den ersten Stoß aus seiner Maschinenpistole mindestens einen Meter links an mir vorbeijagte.
    Ich kauerte immer noch auf Händen und Knien, schob meine Maschinenpistole nach vorn und erledigte ihn mit den restlichen Kugeln aus meinem Magazin.
    Dann rannte ich auf den Eingang des Ruderhauses zu. Dort hatte ich die Walther in der geheimen Klappe hängen. Beinahe hätte ich's geschafft. Ich erreichte die Tür und griff schon mit der linken Hand hinein, da durchschlug eine Kugel meine Handfläche.
    Ich versuchte mich aufzurichten. Kapelari stand drüben an der Steuerbordreling wie ein dramatischer Todesengel, die Maschinenpistole in der einen und den Achtunddreißiger in der anderen Hand.
    »Ich hab' Melos gleich gesagt, daß es mit Ihnen Ärger gibt«, sagte er bitter. »Aber er wollte nicht auf mich hören. Jetzt werde ich es so machen, wie ich es für richtig halte.«
    Doch er hatte seine Chance mit dem vielen Reden verspielt. Ein schwarzer Schatten tauchte hinter ihm aus dem Meer auf, ein Messer blitzte im Licht, dann gingen sie zusammen unter, und nur Ciasim allein tauchte wieder auf.
    Er hob Lazanis hoch, wuchtete ihn über die Reling und hockte sich neben mich. Ich stemmte ihm die Hand gegen die Brust. »Ciasim, erst die Aktenmappe.«
    Er wollte widersprechen, aber ich richtete mich schwankend auf und drückte ihn weg. »Tu, was ich dir sage. Das habe ich doch verdient, oder?«
    Was ich sagte, war nicht sehr überlegt, aber in diesem Augenblick war das auch kein Wunder. Er schien mir nicht böse zu sein.
    »Höchstens fünf Minuten, Jack, das schwöre ich dir. Dann flick ich dich wieder zusammen.«
    Ich setzte mich mit dem Rücken gegen das Ruderhaus, während er ein Atemgerät vom Deck holte. Dann hörte ich es klatschen. Ich sah hinauf zur Sonne. Der Himmel war sehr blau und so strahlend, daß er mich blendete.
    Ich schloß die Augen. Als ich sie wieder öffnete, kniete er vor mir und hatte die Aktenmappe in der Hand. Mir fiel die hervorragende Qualität des marokkanischen Leders auf, das großartige Schloß aus Messing, und dann fiel mir ein, daß ein Sprengmechanismus darin versteckt war.
    Seltsam geistesabwesend fragte ich mich, ob ich wohl in die Luft fliegen würde, als Ciasim mir die Tasche reichte. Ich drückte sie an meine Brust, aber da ich in diesem Augenblick das Bewußtsein verlor, spielte es auch keine große Rolle mehr.

    18

    Als ich wieder zu mir kam, lag ich rücklings auf dem Tisch in der Kabine, aber ohne meinen Taucheranzug. Ciasim saß neben mir auf dem Stuhl und arbeitete konzentriert an dem Loch in meinem rechten Bein. Er hatte die Schiffsapotheke gefunden, die noch aus Marinebeständen stammte, und verband mich.
    »Wie steht's?« fragte ich.
    »Du bist also wieder da.« Er grinste. »Eine Kleinigkeit, nur einen Flohbiß. Als die Chinesen mich 1951 gefangennahmen, mußte ich mit einer schlimmeren Wunde im Bein zweihundert Meilen weit marschieren. Sie sind erst nach zwei Monaten dazu gekommen, die Kugel herauszuholen. Ich zeig's dir.«
    Er half mir beim Aufsetzen, und ich hob das rechte Knie an. Auf der Außenseite des Oberschenkels klaffte das übliche ausgezackte Loch und ein etwas größeres an der Innenseite. Deshalb also war es mir möglich gewesen, während des Kampfes noch übers Deck zu kriechen.
    »Ein Glück, daß die Kugel nicht auch noch durchs andere Bein gegangen ist«, sagte ich.
    »Du hast ja selbst gesagt, daß wir heute Glück brauchen, und wir haben es«, bemerkte er nur.
    Mit meiner linken Hand sah es schon anders aus. Ich konnte zwar die Finger bewegen, aber die Hand selbst war geschwollen und gefühllos. Als er sie verbunden hatte, setzten furchtbare Schmerzen ein. Er holte zwei Ampullen mit einem schmerzstillenden Mittel aus der Apotheke und gab mir eine Spritze in die Hand, eine andere ins Bein.
    Danach kochte er Kaffee. Das verstehen die Türken besser als sonst jemand auf der ganzen Welt. Ich zeigte ihm, wo der Whisky versteckt war. Nach zwei Tassen Kaffee mit einem kräftigen Schuß Whisky fühlte ich mich fast wieder wie ein Mensch. Die Schmerzen hatten inzwischen auch nachgelassen, und ich konnte sogar bis zur Tür gehen.
    »Überanstreng dich nicht, Jack«, protestierte er. »Leg dich eine Weile hm, versuch zu schlafen.«
    »Damit ich vierundzwanzig Stunden lang weg bin? Nein«, antwortete ich, »dafür ist jetzt keine Zeit. Und wenn du

Weitere Kostenlose Bücher