Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
Ich wecke dich, wenn es so weit ist.«
    »Und du versprichst mir, daß kein Ein-Mann-Unternehmen daraus wird?«
    »Mein Wort darauf.«
    Das genügte mir, weil er ein Ehrenmann war. Außerdem war ich verdammt müde. Ich stolperte hinunter, legte mich in meine Koje und starrte zur Decke empor. Ich hörte noch die Ankerkette rasseln, dann fiel ich in tiefen Schlaf.
    Es war schon Abend, als Kyros in Sicht kam. Die Sonne hing tief über dem Horizont, und ein kleiner, kühler Wind blies mir ins Gesicht, als ich an Deck kam.
    Die ›Gentle Jane‹ lief mit automatischer Steuerung. Ciasim hockte im Heck und traf seine Vorbereitungen. Er hatte den Tauchanzug übergestreift und kontrollierte seine Aqualunge.
    Er hob den Kopf, als er mich heranhumpeln sah. »Ich wollte dich gerade wecken. Wie geht's dir?«
    »Gut«, log ich. »Der Schlaf hat viel geholfen.«
    Ich wußte, daß er mir kein Wort glaubte, aber er sagte nichts dazu. »Jetzt kommt also der Endspurt, Jack.«
    Er öffnete seine Zigarettendose. Es war nur noch eine übrig, Er brach sie entzwei und bot mir die eine Hälfte an.
    »Das mit deinem Schiff tut mir leid«, sagte ich. »Ich weiß, was das für dich bedeutet.«
    »Alles Vergangenheit, mein lieber Freund. Alles nimmt früher oder später dasselbe Ende.«
    Eine Traurigkeit ging von ihm aus, aber vielleicht war es auch die Übermüdung. Kein Wunder. Jedenfalls rührte es uns beide an. Es war eine tiefe Resignation oder auch ein fatalistisches Sichabfinden mit dem, was nun kommen mußte. Es war ein verrücktes Unternehmen, aber die ganze Angelegenheit war ja von vornherein verrückt gewesen.
    Ein Ende mit Schrecken führt manchmal zu einem neuen Anfang. Ich war meiner Sache nicht ganz sicher, ich wußte auch nicht mehr, was richtig und was falsch war, denn konnte aus so viel Tod noch etwas Gutes entstehen?
    Nur zweierlei wußte ich genau: Dieser Mann war mein Freund, und die Liebe des sterbenden Mädchens war ehrlich. Unter der harten Schale war ich also doch der sentimentale Ire geblieben; genau wie Melos gesagt hatte.
    Ich spürte Ciasims Hand auf meinem Arm und kehrte mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. Er schnallte sich gerade das Atemgerät auf den Rücken. Die Dose mit dem Sprengstoff hatte er am Gürtel befestigt.
    Vor uns ragten dunkel in der abendlichen Sonne die beiden ›Alten Weiber von Paxos‹ auf, die schwarz vor einem goldenen Hintergrund die Zufahrt zum Hafen bewachten. Ich ging ins Ruderhaus und übernahm das Steuer. Als wir uns der Passage näherten, drosselte ich die Geschwindigkeit.
    Er stand in der Tür, eine schreckenerregende, schwarze Gestalt. Und dann tat er etwas sehr Seltsames. Er streckte die Hand aus und tätschelte mein Gesicht, wie er es bei einem seiner Söhne getan hätte. Diese zärtliche Geste hatte ich oft bei ihm beobachtet.
    »Geh mit Gott, mein lieber Freund«, murmelte er.
    Ich sah ihm nach, wie er über die Reling sprang. Er hielt einen Augenblick inne, zog die Gesichtsmaske herab und schob sich das Mundstück zwischen die Zähne. Dann war er verschwunden.
    Ich hatte mich in meinem ganzen Leben noch nie so einsam gefühlt wie in diesem Augenblick, als die ›Gentle Jane‹ durch die schmale Durchfahrt steuerte. Links und rechts erhoben sich die ›Alten Weiber von Paxos‹, schwarz wie die Nacht, und ein halbes Dutzend Möwen umkreisten mich mit ihrem warnenden Krächzen.
    Goldbraun spiegelte sich die Abendsonne im dunklen Wasser. Ich glitt so langsam dahin, als wagte ich mich nicht recht in die Lagune hinein.
    Es war seltsam, aber in diesem Augenblick mußte ich an meinen Vater denken, an die Art, wie er gestorben war. Auch für ihn hatte es sicherlich einen solchen letzten Augenblick gegeben wie für mich jetzt. Die letzte Sekunde, bevor er die Tür seiner Hütte öffnete und seinem Tod entgegentrat.
    Ich glitt in die Lagune hinein und fand die ›Firebird‹ fünfzig Meter vom Strand entfernt verankert, genau, wie wir sie verlassen hatten. Da sich nichts rührte, ließ ich mein Signalhorn ertönen. Aus den Bäumen am Uferstreifen flatterten Vögel auf, dann erschienen Melos und Aleko.
    Melos hielt eine Maschinenpistole im Arm. Als ich näherkam, hob er sie hoch.
    Die Panik in meiner Stimme war nicht nur simuliert. »Um Himmels willen, nicht schießen, Melos. Ich hab' die Aktenmappe. Lassen Sie mich an Bord, ich werde es Ihnen erklären.«
    Er senkte die Waffe.
    »Ich hab' Sie gewarnt, Savage«, rief er herüber.
    Ich schaltete die Maschinen aus und spürte, wie sich

Weitere Kostenlose Bücher