Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
herauszuhalten. Hatten ihn zunächst di e Täter des Worte s eingeholt, sind es jetzt, viele Jahre später, di e Jünger des Chao s . Und während Thomas Heilant die Handlungsfäden und die Schicksale der Hauptpersonen über die Jahre 1968 und 1977 zusammenführt, ist da ein anderer, der die Fäden tatsächlich in der Hand hält. Wer es ist, erfährt am Schluss nur der Leser.
Was wie ein Kriminalroman beginnt, entfaltet bald ein facettenreiches Wechselspiel psychologischer, philosophischer und politischer Elemente, die, zu einer verständlichen Einheit verwoben, schließlich eine überraschende Lösung offenbaren. Wie der Ich-Erzähler macht sich auch der Leser auf die Suche nach einer Wirklichkeit, die nach und nach schichtweise freigelegt werden muss.
Die Himmelsleite r ist ein Symbol der Suche nach dem Absoluten und gleichzeitig Sinnbild ihres Scheiterns. Aber es sind nicht nur die Frevler, die hinabgestoßen werden. Thomas Heilant muss schließlich erkennen, dass auch ihm eine tragische Rolle zugedacht wurde. Er ist der Henker und, als Marionette einer ihm überlegenen Macht, doch nur das Opfer. Für ihn wir d die Himmelsleite r zum schweren Gang, sich in sein Schicksal zu fügen.
Philosophisch, physikalisch, psychologisch und politisch: ein Wissenschaftskriminalroman, ein Achtundsechzigerroman. Ein Stück Literatur, das an Spannung und Erzählvermögen nichts vermissen lässt. Und ein unheimliches Szenarium, das durchaus Wirklichkeit werden kann.
Leseprobe
Prolog: Der Berg wacht
Er lässt sich in die Wanne gleiten. Noch atmet er heftig, schnauft wie vor einer gewaltigen Anstrengung, und sein Herz läuft sich warm, spurtet vor und zurück, als bereite es sich auf ein Rennen vor, das niemals beginnen wird. Vielleicht ist es die Angst, die ihn plötzlich anlacht, bösartig, als habe sie ihm einen letzten Streich gespielt, vielleicht die Unsicherheit, die wie ein Schatten auf seinen Entschluss fällt. Vielleicht bedingt das eine das andere. Doch bald wird er ruhig.
Jetzt schließt er die Augen. Sein schwerer muskulöser Körper scheint im warmen Wasser zu schweben, und sein Kopf ist der Anker, der, auf dem Wannenrand lastend, ihn am Ablegen hindert. Über die Stirn fallen spärlich die noch dunklen Locken. Die Haare zittern, wenn er über die Unterlippe die Luft nach oben bläst. Seine Hand tastet nach der Flasche. Er nimmt einen letzten tiefen Schluck. Schmatzend kaut er auf dem Rotwein, und für einen Augenblick sieht er die Weinberge unter der abendlichen Spätsommersonne, die prallen Häute der Trauben, auf denen die Insekten tanzen, riecht die Brombeersträucher, die bittere Schwere der gelockerten Erde zwischen den Reben. Er lächelt. Sein Gesicht hat sich entspannt, nur unter der angegrauten Schläfe zappelt eine kleine Ader wie ein vergessener Hering im Netz.
Dann trocknet er sich sorgfältig die Hände. Als er das Netzgerät in der Hand hält, öffnet er noch einmal kurz die Augen. Nachdenklich blickt er auf das grüne Lämpchen, das vor seinen Augen glimmt, fast erstaunt, dass es das sein soll, was er als letztes in seinem Leben sehen wird. Seufzend lehnt er sich zurück.
Es zischt, und ein Zucken durchläuft seinen Körper wie ein wohliger Schauer. Es dauert nicht lange, und seine Schultern, seine behaarten Knie sind nur noch Inseln in einem spiegelglatten See. Als Dr. Moulin gerufen wird, ist das Wasser schon kalt. So stirbt de r Retter des Universum s .
Dr. Moulin, der therapeutische Leiter des kleinen Sanatoriums, veranlasste routinemäßig alles Notwendige. Als der Leichenwagen vom Hof gefahren war, ließ er sich die Krankenunterlagen heraussuchen.
Nicht, dass er den Deutschen gemocht hätte. Er war ein schwieriger Patient gewesen. Verschlossen, in sich zurückgezogen hatte er jahrelang ein unauffälliges Dasein in der Klinik gefristet. Fast schien es, als hätte er wie ein Mönch allem Irdischen abgeschworen. In der Therapie waren sie nicht über ein paar unergiebige Gespräche hinausgekommen. Erst vor kurzem hatte Moulin jede Selbstmordgefährdung ausgeschlossen . Suicidalität besteht nich t , hatte es lapidar in seinem letzten Entwicklungsbericht geheißen. Er nahm noch einmal die Akte zur Hand.
Herr Thomas H., geboren am 06.08.1945 in Frankfurt am Main (Bundesrepublik Deutschland), wohnhaft im Hause, in stationärer Behandlung seit dem 27.12.198 9 .
Diagnose: Chronische paranoid-halluzinatorische Schizophrenie (ICD 295.3).
Die ausführliche Vorgeschichte bitten wir
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