Die Nachtwächter
steht, dass wir die Produktionsmittel unter unsere Kontrolle bringen, so in der Art. Deshalb möchte ich gern wissen: Was bedeutet das für meinen Laden? Ich meine, dort gibt es nur Platz für mich, meinen Lehrling Garbut und vielleicht noch einen Kunden.«
Mumm lächelte im Dunkeln. Reg sah nie, was sich anbahnte. »Also, nach der Revolution geht alles in das Eigentum des Volkes über… äh… das heißt, der Laden gehört
auch
allen anderen.«
Genosse Biegsam wirkte verwirrt. »Und ich bin nach wie vor derjenige, der die Schuhe herstellt?«
»Natürlich. Aber alles
gehört
dem Volk.«
»Und… wer bezahlt dann für die Schuhe?«, fragte Herr Biegsam.
»Jeder wird einen vernünftigen Preis für seine Schuhe bezahlen, und du machst dich nicht mehr schuldig, vom Schweiß des einfachen Arbeiters zu leben«, sagte Reg. »So, könnten wir jetzt…«
»Meinst du die Kühe?«
»Was?«
»Nun, da wären nur die Kühe und die Jungs von der Gerberei, und ehrlich gesagt, sie stehen nur den ganzen Tag auf der Wiese, natürlich nicht die Jungs von der Gerberei, aber…«
»Hör mal«, sagte Reg, »alles wird dem Volk gehören, und dann sind alle viel besser dran, verstehst du?«
Die Falten fraßen sich tiefer in die Stirn des Schuhmachers. Er war nicht sicher, ob er zum Volk gehörte.
»Ich dachte, wir wollten nur verhindern, dass Soldaten und Pöbel und so durch unsere Straße kommen«, meinte er.
Reg wirkte geplagt und zog sich in die Sicherheit zurück. »Wir können uns doch wenigstens auf Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit einigen, oder?«
Köpfe nickten. Damit waren alle einverstanden. Solche Dinge kosteten nichts.
Ein Streichholz flammte in der Dunkelheit auf. Die Leute drehten sich um und sahen, wie sich Mumm eine Zigarre anzündete. »Dir gefallen Freiheit, Wahrheit und Gerechtigkeit, nicht wahr, Genosse Oberfeldwebel?«, fragte Reg ermutigend.
»Ich mag ein hart gekochtes Ei«, sagte Mumm und löschte das Streichholz, indem er es schüttelte.
Nervöses Gelächter erklang. Reg wirkte beleidigt.
»Angesichts der besonderen Umstände sollten wir nach mehr streben, Oberfeldwebel.«
»Nun, ja, das könnten wir«, sagte Mumm und trat die Stufen hinunter. Er blickte auf die vielen Papiere, die vor Reg lagen. Der junge Mann bemühte sich. Ja, er bemühte sich wirklich. Und er meinte es ernst. Er meinte es tatsächlich ernst. »Aber, Reg, morgen früh geht die Sonne auf, und was auch immer bis dahin geschehen ist: Ich bin ziemlich sicher, dass wir keine Freiheit gefunden haben, und vermutlich gibt es auch nicht viel Gerechtigkeit, und ich bin
fest
davon überzeugt, dass von Wahrheit jede Spur fehlt. Aber vielleicht bekomme ich ein hart gekochtes Ei. Was hat dies alles zu bedeuten, Reg?«
»Wir sind die Volksrepublik der Sirupminenstraße!«, verkündete Reg stolz. »Wir bilden gerade eine Regierung!«
»Oh, gut«, sagte Mumm. »Noch eine. Genau das brauchen wir. Weiß jemand, was aus den verdammten Barrikaden geworden ist?«
»Hallo, Herr Keel«, ertönte eine klebrige Stimme.
Mumm senkte den Blick und sah Nobby Nobbs. Der Bengel trug noch immer die alte, viel zu große Anzugjacke und jetzt einen ebenfalls zu großen Helm.
»Wie bist du hierher gekommen, Nobby?«
»Meine Mutter hält mich für tückisch«, erwiderte Nobby und lächelte. Ein Ziehharmonikaärmel hob sich dem Kopf entgegen, und Mumm begriff, dass der Junge zu salutieren versuchte.
»Sie hat Recht«, sagte Mumm. »Also, wo…«
»Ich bin jetzt Untergefreiter, Oberfeldwebel«, verkündete Nobby. »Das hat Herr Colon gesagt. Er hat mir einen Helm gegeben. Ich schnitze mir eine Dienstmarke aus… Wie heißt das Zeug? Weich wie Wachs, wie das Zeug, aus dem Kerzen sind, aber man kann’s nicht essen…«
»Seife, Nobby Merk dir das Wort.«
»In Ordnung, Oberfeldwebel. Ich schnitze mir eine Dienstmarke aus…«
»Wohin sind die Barrikaden verschwunden, Nobby?«
»Das kostet dich…«
»Ich bin dein
Vorgesetzter,
Nobby. Wir stehen in keiner finanziellen Beziehung mehr. Sag mir, wo die verdammten Barrikaden sind!«
»Äh… wahrscheinlich nicht weit von der Kurzen Straße entfernt, Oberfeldwebel. Es ist alles ein bisschen… metaphysisch, Oberfeldwebel.«
Major Sitzgut-Stehschnell starrte auf die vor ihm liegende Karte und suchte nach Trost. An diesem Abend war er der rangälteste Offizier im Einsatzgebiet. Die Kommandeure hatten den Palast aufgesucht, um dort an einer Feier oder dergleichen teilzunehmen. Die Verantwortung lastete auf
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