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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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du hast die Frage nie an mich gerichtet.«
    »Nein, das habe ich nicht«, bestätigte Mumm. »Es ist eine Blume. Jeder kann eine Blume tragen.«
    »Zu dieser Zeit? An diesem Ort?«
    »Erzähl mir davon!«
    »Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich einen dringenden Auftrag bekam«, sagte Vetinari. »Ich sollte das Leben eines Mannes retten. Eine eher ungewöhnliche Aufgabe für einen Assassinen, obwohl ich es schon einmal gerettet hatte.« Er bedachte Mumm mit einem seltsamen Blick.
    »Du hast einen Mann erschossen, der mit einer Armbrust zielte?«, fragte Mumm.
    »Gut geraten, Kommandeur! Ja. Ich habe ein Auge für das… Besondere. Die Zeit wurde knapp. Die Straßen waren verstopft. Überall herrschten Chaos und Verwirrung, und ich kannte nicht einmal deinen Aufenthaltsort. Ich beschloss, den Weg über die Dächer zu nehmen. So gelangte ich zur Ankertaugasse, wo ich eine andere Art von Durcheinander vorfand.«
    »Sag mir, was du gesehen hast!«, brummte Mumm.
    »Ich sah, wie ein Mann namens Carcer… verschwand. Und ich sah einen Mann namens Keel sterben. Besser gesagt: Ich sah ihn tot.«
    »Na so was«, murmelte Mumm.
    »Ich kämpfte ebenfalls. Ich nahm einem Gefallenen den Fliederzweig ab und hielt ihn im Mund, wie ich hinzufügen muss. Ich stelle mir gern vor, dass ich echte Hilfe geleistet und etwas bewirkt habe. Vier Männer habe ich umgebracht, aber darauf bin ich nicht besonders stolz. Es waren einfache Halunken, ohne jedes Geschick. Außerdem war ihr Anführer allem Anschein nach geflohen, und mit ihm war auch ihre Kampfmoral verschwunden. Die Männer mit den Fliederblüten… Ich muss sagen, sie kämpften wie Tiger, wenn auch nicht sehr elegant. Aber als sie sahen, dass ihr Anführer gefallen war, fielen sie noch entschlossener über die andere Seite her. Bemerkenswert.
    Später sah ich mir John Keel an. Es
war
John Keel. Wie konnte ein Zweifel daran bestehen? Blut klebte an ihm. Überall Blut. Seine Wunden erschienen mir ein wenig alt. Und der Tod, wie wir wissen, verändert die Leute. Aber so sehr?, fragte ich mich damals. Ich legte die Sache als ein halbes Geheimnis beiseite und heute… Oberfeldwebel… haben wir die andere Hälfte des Geheimnisses gefunden. Ist es nicht wundervoll, wie sehr sich Menschen ähneln können? Vermutlich ist nicht einmal deinem Feldwebel Colon etwas aufgefallen. Immerhin sahen wir Keel sterben, und er sah dich aufwachsen…«
    »Wohin führt dies alles?«, fragte Mumm.
    »Nirgendwohin, Kommandeur. Was könnte ich beweisen? Und zu welchem Zweck?«
    »Dann sage ich
gar
nichts.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, was du sagen
solltest
«, erwiderte Vetinari. »Ich bin ganz deiner Ansicht. Lassen wir die Toten ruhen! Aber was dich betrifft, Kommandeur, erlaube mir ein kleines Geschenk zum Anlass der Geburt deines Sohnes…«
    »Ich will nichts«, sagte Mumm schnell. »Du hast nicht die Möglichkeit, mich noch weiter zu befördern. Es ist nichts mehr übrig, mit dem du mich bestechen könntest. Ich habe mehr, als ich verdiene. Die Wache funktioniert gut. Wir brauchen nicht einmal ein neues verdammtes Pfeilbrett…«
    »Im Gedenken an John Keel…«, begann Vetinari.
    »Ich habe dich
gewarnt
…«
    »… kann ich dir die Sirupminenstraße zurückgeben.«
    Nur die schrillen, fast unhörbaren Pfiffe der Fledermäuse, die um die Pappeln schwirrten, störten die Stille, die diesen Worten folgte.
    »Ein Drache hat sie vor einigen Jahren verbrannt«, brummte Mumm schließlich. »Heute wohnen Zwerge in den Kellern…«
    »Ja, Kommandeur. Aber Zwerge… Zwerge sind so herrlich aufgeschlossen, wenn es um Geld geht. Je mehr Geld ihnen die Stadt bietet, desto weniger Zwerge gibt es dort. Der Stall ist noch da, auch der alte Minenturm. Festes Mauerwerk. Es könnte alles wieder erstehen, Kommandeur, zu Ehren von John Keel, eines Mannes, der in einigen wenigen Tagen das Leben vieler veränderte und vielleicht etwas Vernunft in einer verrückten Welt bewahrte. In einigen Monaten könntest du die Lampe über der Tür anzünden…«
    Wieder hörte man nur die Fledermäuse.
    Vielleicht lässt sich sogar der Geruch zurückbringen, dachte Mumm. Vielleicht kann man über dem Abort ein Fenster anbringen, das aufspringt, wenn man gegen die richtige Stelle drückt. Vielleicht kann man neuen Polizisten alle Tricks beibringen…
    »Den Platz könnten wir gebrauchen, das stimmt«, räumte Mumm mit gewisser Mühe ein.
    »Wie ich sehe, hast du bereits Gefallen an der Vorstellung gefunden«, sagte Vetinari.

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