Die Nachtwächter
Problem.«
»Und das wäre?«
»Du kannst nicht zurückgebracht werden. Noch nicht.«
Zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs zeigte Kehrer so etwas wie Unbehagen. »Das große Problem, dem ich mich derzeit gegenübersehe, besteht darin, dass ich dir von einigen Dingen erzählen sollte, die ich dir unter gar keinen Umständen verraten darf. Aber du bist ein Mann, der nicht zufrieden ist, solange er nicht Bescheid weiß. Das respektiere ich. Solange du unzufrieden bist, wirst du uns nicht helfen. Ich weiß, dass ich von dir kaum erwarten kann, mir zu glauben…«
Das Brummen der großen Zylinder klang plötzlich anders, und Mumm spürte etwas Sonderbares – es fühlte sich an, als hätte sein ganzer Körper gerade
Plib
gemacht.
»Hier ist jemand, dem du glauben würdest…«
»Moment mal«, sagte Mumm und starrte Kehrer an. »Was ist mit deiner Zigarette geschehen?«
»Hmm?«
»Eben hattest du noch eine halbe Selbstgerollte in der Hand, und jetzt ist sie weg!«
»Ich hab den Rest vor zehn Minuten ausgedrückt«, erwiderte Kehrer. »Lasst sie rollen, Jungs.«
Das Brummen der rotierenden Zylinder veränderte sich ein wenig.
Sam Mumm sah sich selbst in der Mitte des Raums stehen. »Das bin ich!«
»Ja, genau«, bestätigte Kehrer. »Und jetzt hör dir gut zu.«
»Hallo, Sam«, sagte der andere Mumm und sah ihn dabei nicht direkt an. »Ich kann dich nicht sehen, aber angeblich kannst du
mich
sehen. Erinnerst du dich an den Fliederduft? Du hast an die gedacht, die gestorben sind. Und dann hast du Willikins beauftragt, die junge Frau aus der Jauchegrube zu holen und abzuspritzen. Und, äh… du hast einen Schmerz in der Brust, der dir Sorgen macht und von dem du niemandem erzählt hast… Das dürfte genügen. Jetzt weißt du, dass ich du bin. Es gibt da einige Dinge, von denen ich dir nichts erzählen kann. Ich darf davon wissen, weil ich mich…« Der andere Mumm unterbrach sich, blickte zur Seite und schien einer Stimme zu lauschen, die nur er hören konnte. »… in einer Zeitschleife befinde. Äh… man könnte sagen, dass ich zwanzig Minuten deines Lebens bin, an die du dich nicht erinnerst. Weißt du noch, als du etwas Sonderbares gespürt hast, so als…«
… hätte sein ganzer Körper gerade
Plib
gemacht.
Kehrer stand auf. »Ich verabscheue das«, sagte er, »aber wir sind im Tempel, und hier können wir die Paradoxa dämpfen. Auf die Beine, Herr Mumm. Jetzt erkläre ich dir alles.«
»Du hast doch gesagt, das könntest du nicht!«
Kehrer lächelte. »Brauchst du Hilfe bei den Handschellen?«
»Was, bei diesem alten Schnappzu Modell Eins? Nein, gib mir nur einen Nagel und zwei Minuten. Wieso bin ich im Tempel?«
»Ich habe dich hierher gebracht.«
»Hast du mich getragen?«
»Nein. Ich habe dich geführt. Deine Augen waren natürlich verbunden. Und dann, als wir hier eintrafen, habe ich dir etwas zu trinken gegeben…«
»Daran erinnere ich mich nicht!«
»Natürlich nicht. Das war ja der Sinn des Getränks. Nicht sehr mystisch, aber es erfüllt seinen Zweck. Wir möchten schließlich nicht, dass du hierher zurückkehrst. Immerhin soll dieser Ort
geheim
bleiben…«
»Du hast an meinem Gedächtnis herumgepfuscht? Das verbitte ich mir…« Mumm stand halb auf, aber Kehrer hob beschwichtigend die Hand.
»Keine Sorge, keine Sorge. Ich habe dich nur… einige Minuten vergessen lassen«, sagte er.
»Wie viele Minuten?«
»Nur einige wenige. Und es waren auch Kräuter in dem Getränk. Die sind gut für die Gesundheit. Und dann ließen wir dich schlafen. Sei unbesorgt, niemand ist hinter uns her. Man wird überhaupt nicht merken, dass du fort gewesen bist. Siehst du das hier?«
Kehrer griff nach dem offenen Tornister, der neben seinem Stuhl lag. Er hatte Riemen wie ein Rucksack, und darin sah Mumm einen Zylinder.
»Dies ist ein so genannter Zauderer, eine kleinere Version der anderen dort drüben, die wie die Wäschemangel deiner Großmutter aussehen«, sagte der Mönch. »Ich möchte keine technischen Einzelheiten nennen, nur so viel: Wenn er sich dreht, bewegt er die Zeit um dich herum. Hast du verstanden, was ich dir gerade gesagt habe?«
»Nein!«
»Na schön. Es ist ein magischer Ranzen. Bist du jetzt zufrieden?«
»Fahr fort«, sagte Mumm grimmig.
»Du hast einen solchen Tornister getragen, und ich habe dich vom Wachhaus hierher geführt. Und weil du ihn getragen hast, bist du gewissermaßen außerhalb der Zeit gewesen. Nach diesem Gespräch bringe ich dich zum Wachhaus
Weitere Kostenlose Bücher