Schwere Last mit leichten Mädchen
1
Ich saß in meinem Büro, das etwa fünfzig Prozent meiner Zwei-Zimmer-Wohnung einnimmt, und tat gar nichts. Draußen vor dem Fenster war ein herrlicher Morgen. In Santo Bahia ist das nie anders. Als es zum letztenmal vierundzwanzig Stunden hintereinander geregnet hat, fingen die Leute, die oben in den Hügeln wohnen, schon an, Boote zusammenzuzimmern. Vor sechs Monaten, als ich beschloß, Manhattan den Rücken zu kehren und an die Westküste überzusiedeln, hatte ich mir vorgestellt, die Zeit würde mir hier wie der Wind verfliegen. Erst nach drei Monaten in Santo Bahia wurde mir klar, daß gerade Wind hier besonders rar ist.
Die Klientin hatte mit mir für elf Uhr vormittags eine Verabredung getroffen. Jetzt war es bereits elf Uhr dreißig. Vielleicht hatte sie es sich inzwischen anders überlegt, und ich besaß überhaupt keine Klientin mehr. Dann läutete das Telefon, und ich war endgültig davon überzeugt, daß sie bestenfalls noch absagen würde.
»Boyd?« Die Stimme war männlich und hatte einen flachen, metallischen Beiklang.
»Hier ist Danny Boyd«, bestätigte ich.
»Sie brauchen sie nicht als Klientin .«
»Wen meinen Sie damit ?« wollte ich wissen.
»Wahrscheinlich sitzt sie Ihnen gerade gegenüber«, erklärte die Stimme. »Wenn Sie diese Dame als Klientin übernehmen, handeln Sie sich nichts als Schwierigkeiten ein. Und zwar echte Schwierigkeiten.«
»Wer, zum Teufel, spricht denn da ?«
»Namen spielen keine Rolle«, erwiderte die Stimme. »Sie können diesen Anruf als unfreundliche Warnung betrachten. Sollten Sie meinen Rat nicht annehmen, dürften Sie sich demnächst im Krankenhaus wiederfinden. Mit ein paar gebrochenen Rippen oder schlimmer.«
»Falls Sie mich auf den Arm nehmen wollen, Freundchen«, sagte ich liebenswürdig, »sind Sie an den Falschen geraten .«
»Die kecken Reden werden Ihnen schon noch vergehen, Boyd«, erwiderte die Stimme. »Wenn Sie heil bleiben wollen, vergessen Sie nicht, daß ich Sie gewarnt habe .« Dann legte er auf.
Zwei Minuten später klingelte es an der Wohnungstür. Als ich aufmachte, bedachte sie mich mit einem strahlenden Lächeln und marschierte mit energischem Schritt an mir vorbei. Bis ich ihr nachgeeilt war, hatte sie bereits Platz genommen und ließ mein Büro auf angenehme Weise bewohnt wirken. Ihre glatten schwarzen Haare waren kurz geschnitten, die dunklen Augen weit auseinanderstehend. Ihre vollen Lippen boten eine permanente erotische Einladung. Etwa Ende der Zwanzig mußte sie sein, schätzte ich, und durchschnittlich groß. Ihr Durchschnittsgewicht hatte sie an den genau richtigen Stellen verteilt.
Sie trug eine dunkelblaue Hemdbluse aus so dünnem Material, daß sich ihre Brustwarzen deutlich abzeichneten. Der Saum des kurzen hellblauen Rockes war bereits halb über die sonnengebräunten Schenkel hinaufgerutscht. Auf dem Schoß hielt sie eine Segeltuchtasche, mit der ich nicht ungern den Platz getauscht hätte.
»Ich bin Ellie Morgan«, stellte sie sich vor.
Ihre Stimme hatte einen angenehm dunklen Tonfall. Auch ihre Beine waren sehr anständig, registrierte ich. Mit prallen Schenkeln zum Daranfesthalten .
»Vielleicht können wir zur Sache kommen, wenn Sie Ihre sexuellen Phantasien zu unterbrechen bereit sind, Mr. Boyd«, meinte sie liebenswürdig.
»Es tut mir leid, daß Sie sich eine halbe Stunde verspätet haben«, sagte ich.
»Warum?«
»Ich habe dieses merkwürdige Gefühl, wenigstens einer von uns beiden sollte sein Bedauern darüber äußern«, versetzte ich.
»Kommen Sie mir nicht komisch, Mr. Boyd !«
Ich drehte meinen Kopf ein kleines Stück, so daß ihr der volle Eindruck meines rechten Profils zuteil wurde , das nur um einen Bruchteil besser ist als mein linkes. Die meisten Frauen fallen bei diesem Anblick vor Ekstase in Ohnmacht. Sie reagierte jedoch überhaupt nicht, was mich zu dem Schluß kommen ließ, sie müsse unter einem Sehfehler leiden.
»Sie sind Privatdetektiv, Mr. Boyd«, erklärte sie, »und ich bin eine mögliche Klientin. Wenn wir in diesem Tempo fortfahren, sitzen wir nächste Woche noch hier .«
»Kommen Sie mir nicht komisch«, parierte ich.
Sie verzog die Mundwinkel zu einem zögernden Lächeln. »Diese Retourkutsche habe ich mir wohl zu Recht eingehandelt .«
»Sie«, begann ich vorsichtig, »brauche ich nicht als Klientin .«
»Was?«
»Wenn ich Sie als Klientin annehme, handele ich mir nichts als Schwierigkeiten ein. Ich lande zum Beispiel mit ein paar gebrochenen Rippen im
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