Die Nachtwächter
ihn und näherte sich.
»Eine ärgerliche Sache, Herr. In der vergangenen Nacht ist jemand hier eingebrochen«, meldete er mit der Andeutung eines einfältigen Lächelns.
»Tatsächlich?«, erwiderte Mumm. »Was wurde gestohlen?«
»Habe ich gesagt, dass etwas gestohlen wurde, Herr?«, fragte der Feldwebel unschuldig.
»Nein«, sagte Mumm. »Ich habe nur einen voreiligen
Schluss
gezogen, wenn du verstehst, was ich meine. Also, hat der Einbrecher etwas gestohlen, oder kam er hierher, um eine Schachtel mit Pralinen und vielleicht auch noch einen Korb mit Obst zu überbringen?«
»Der Unbekannte hat das silberne Tintenfass des Hauptmanns gestohlen«, sagte Klopf, immun gegen Sarkasmus. »Und es war ein Eingeweihter, wenn du meine Meinung hören willst. Die Tür oben wurde aufgebrochen, aber die Haupttür nicht. Es kommt nur ein Polizist in Frage!«
Mumm staunte über das Ausmaß an forensischer Sachkenntnis, das Klopf offenbarte. »Meine Güte, ein Polizist, der
stiehlt
?«, fragte er.
»Ja, ungeheuerlich«, erwiderte Klopf ernst. »Insbesondere nachdem du uns gestern eingeschärft hast, wie wichtig es ist, ehrlich zu sein und so.« Er sah an Mumm vorbei und rief: »Achtung! Der Hauptmann ist da!«
Tilden kam die Treppe herunter. Es wurde still im Zimmer, abgesehen vom Geräusch der unsicheren Schritte.
»Kein Glück, Feldwebel?«, fragte er.
»Bisher nicht, Herr«, sagte Klopf. »Ich habe Oberfeldwebel Keel gerade von der schrecklichen Sache berichtet.«
»Es war graviert«, meinte Tilden kummervoll. »Alle im Regiment ließen das einritzen, was sie sich leisten konnten. Dies ist wirklich… ärgerlich.«
»Ein Mann muss ein richtiger Mistkerl sein, um so etwas zu stehlen, Oberfeldwebel«, bemerkte Klopf.
»Finde ich auch«, sagte Mumm. »Wie ich sehe, hast du alles recht gut organisiert. Habt ihr bereits überall nachgesehen?«
»Überall«, bestätigte Klopf. »Außer in den Spinden. Wir durchsuchen nicht einfach die Schränke von Kollegen. Aber da wir jetzt alle hier sind und die Anwesenheit von Hauptmann Tilden garantiert, dass alles mit rechten Dingen zugeht… So abscheulich es auch sein mag, Hauptmann, ich bitte um Erlaubnis, die Spinde zu durchsuchen.«
»Ja, wenn es sein muss«, sagte Tilden. »Mir gefällt das nicht. Es ist unehrenhaft.«
»Nun, Herr, um zu zeigen, dass alles fair abläuft, sollten zuerst die Schränke von uns Feldwebeln durchsucht werden«, schlug Klopf vor. »Dann kann niemand behaupten, wir gingen nicht mit der nötigen Umsicht vor.«
»Ich bitte dich, Feldwebel«, sagte Tilden und lächelte schief. »Ich glaube kaum, dass du zu den Verdächtigen zählst.«
»Gerechtigkeit ist alles, Herr«, betonte Klopf. »Wir müssen ein gutes Beispiel geben, nicht wahr, Oberfeldwebel Keel?«
Mumm zuckte mit den Schultern. Klopf lächelte, holte einen Schlüsselbund hervor und winkte den Obergefreiten Coates herbei.
»Du hast die Ehre, Ned«, sagte er und strahlte. »Mein Spind zuerst.«
Die Tür wurde aufgeschlossen, und wie sich herausstellte, enthielt Klopfs Schrank das übliche unappetitliche Durcheinander eines ganz normalen Spinds. Aber kein silbernes Tintenfass. In solch einer Umgebung wäre es nach nur einem Tag schwarz angelaufen.
»Gut. Und nun den Spind von Oberfeldwebel Keel, Ned.«
Klopf sah Mumm an und strahlte noch immer, als Coates den Schlüssel ins Schloss schob. Mumm erwiderte den Blick mit ausdrucksloser Miene.
Die Tür öffnete sich knarrend.
»Meine Güte, was haben wir denn da?«, fragte Klopf und sah nicht einmal hin.
»Es ist ein Sack, Feldwebel«, sagte Coates. »Er enthält etwas Schweres.«
»Meine Güte«, sagte Klopf und sah Mumm noch immer an.
»Öffne ihn, Junge. Vorsichtig. Wir wollen doch nichts beschädigen.«
Juteleinen knisterte, und dann:
»In dem Sack ist… ein halber Ziegel«, berichtete Ned.
»Was?«
»Ein halber Ziegel, Herr.«
»Ich spare für ein Haus«, sagte Mumm. Hier und dort kicherte jemand, aber die schnelleren Denker wirkten plötzlich besorgt.
Sie wissen Bescheid, dachte Mumm. Willkommen bei Mumms Roulette, Jungs. Ihr habt das Rad gedreht, und jetzt müsst ihr raten, wohin die Kugel rollt…
»Bist du
sicher
?«, fragte Klopf und drehte sich zu dem offenen Spind um.
»Der Schrank enthält nur einen Sack, Feldwebel«, sagte Ned. »Und der Sack enthält einen halben Ziegel.«
»Gibt es irgendwo ein Geheimfach?«, fragte Klopf verzweifelt.
»Was, in einem Sack?«
»Also, das waren nun
unsere
Spinde«, sagte Mumm und
Weitere Kostenlose Bücher