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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Berechnung und quälende Ungewissheit huschten über Klopfs Gesicht. Dann griff er zu seiner üblichen Taktik: Wenn du dich von Wölfen verfolgt glaubst, stoße jemanden vom Schlitten.
    »Ned, Herr?«, erwiderte er. »Arbeitet hart, erfüllt seine Pflicht. Kann aber auch schwierig sein, unter uns gesagt.«
    »Wie meinst du das? Und du brauchst mich nicht ›Herr‹ zu nennen, Windelbert. Nicht hier draußen.«
    »Hält das Kinn ein wenig zu hoch, wenn du verstehst, was ich meine. Glaubt, besser zu sein als alle anderen. In dieser Hinsicht ist er ein Unruhestifter.«
    »Kasernenanwalt?«
    »So was in der Art, ja.«
    »Sympathisiert er mit den Rebellen?«
    Klopf sah unschuldig nach oben. »Könnte sein, Herr. Aber ich möchte ihn natürlich nicht in Schwierigkeiten bringen.«
    Du hältst mich für einen Spion der Unaussprechlichen, dachte Mumm. Und du bietest mir Coates an. Neulich hast du ihn noch für die Beförderung vorgeschlagen. Du kleiner Wurm.
    »Sollte man ihn im Auge behalten?«, fragte Mumm.
    »Jaherr.«
    »Interessant«, sagte Mumm, immer ein beunruhigendes Wort für die Unsicheren. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass es Klopf beunruhigte, und Mumm dachte: Meine Güte, vielleicht fühlt sich Vetinari die
ganze Zeit über
so…
    »Einige von uns, äh, gehen nach dem Dienst in die Gebrochene Trommel«, sagte Klopf. »Sie ist rund um die Uhr geöffnet. Ich weiß nicht, ob du…«
    »Ich trinke nicht«, erwiderte Mumm.
    »Oh. Ja. Das sagtest du«, sagte Klopf.
    »Und jetzt sollte ich mit dem jungen Mumm auf Streife gehen«, meinte Mumm. »Freut mich, dass wir dieses Gespräch hatten.«
    Er ging fort und achtete darauf, nicht zurückzusehen. Sam wartete noch immer im Hauptbüro und wurde vom Sog erfasst, als vorbeirauschte.
     
    »He, wer ist die Schürze da beim alten Folly?«
    Die Aufsichtsschüler hielten Ausschau. Auf dem Podest am Ende des lauten Saals führte Doktor Follett, Assassinenmeister und von Amts wegen Direktor der Gildenschule, ein lebhaftes Gespräch mit, in der Tat, einer Dame. Das leuchtende Violett ihres Kleids fiel sofort auf in einer von Schwarz dominierten Umgebung, und das elegante Weiß von Folletts Haar wirkte in der Dunkelheit wie ein Fanal.
    Immerhin war dies die Assassinengilde. Hier trug man Schwarz. Die Nacht war schwarz, und ein Assassine ebenso. Und Schwarz hatte Stil, und ein Assassine ohne Stil, so fanden alle, war einfach nur ein gut bezahlter, arroganter Schurke.
    Die Aufsichtsschüler waren alle über achtzehn Jahre alt und durften daher Stadtviertel besuchen, von denen die jüngeren Jungen nichts wissen sollten. Mittlerweile platzten ihre Pickel nicht mehr beim Anblick einer Frau. Jetzt kniffen sie die Augen zusammen. Die meisten von ihnen hatten bereits gelernt, dass die Welt eine Auster war, die mit Gold geöffnet werden konnte, wenn ein Messer nicht genügte.
    »Wahrscheinlich eine Mutter«, sagte einer von ihnen.
    »Wer mag der glückliche Junge sein?«
    »Ich weiß, wer, sie ist«, meinte »Ludo« Ludorum vom Viper-Haus. »Ich habe gehört, wie einige Meister über sie sprachen. Das ist Madame Roberta Meserole. Hat das alte Haus in der Leichten Straße gekauft. Angeblich hat sie in Gennua einen Haufen Geld verdient und möchte sich hier niederlassen. Vermutlich sucht sie nach Möglichkeiten der Kapitalanlage.«
    »Madame?«,
wiederholte Witwenmacher. »Ist das ein Ehrentitel oder eine Arbeitsbeschreibung?«
    »In Gennua könnte es beides sein«, sagte jemand, und die anderen lachten.
    »Folly scheint sie abfüllen zu wollen«, sagte Witwenmacher. »Sie sind schon bei der dritten Flasche Sekt. Worüber
reden
sie wohl?«
    »Über Politik«, erwiderte Ludo. »Jeder weiß, dass Winder nicht das einzig Richtige tun wird, deshalb liegt es bei uns. Und Folly ärgert sich, weil wir bereits drei Leute verloren haben. Winder ist verdammt schlau. Es gibt überall Wachen und Soldaten.«
    »Winder ist ein Blödmann«, sagte Witwenmacher.
    »Ja, Witwenmacher. Für dich ist jeder ein Blödmann«, kommentierte Ludo ruhig.
    »Alle anderen
sind
blöd.«
    Witwenmacher wandte sich wieder dem Tisch zu, und eine Bewegung – besser gesagt, die Abwesenheit von Bewegung – weckte seine Aufmerksamkeit. Am anderen Ende des Tisches saß ein Assassine und las in einem Buch, das vor seinem Teller stand. Er war ganz auf seine Lektüre konzentriert, die Gabel auf halbem Wege zum Mund.
    Witwenmacher zwinkerte den übrigen Aufsichtsschülern zu, nahm einen Apfel aus der nahen Schale, holte

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