Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
gerötetes Gesicht und den unsicheren Gang bemerkten, holte er einen Dolch hervor und spähte durch den Flur. Überall sah er graue Schatten, sonst nichts. Manchmal
gingen
Fackeln von ganz allein aus.
    Er trat vor.
    Als er am nächsten Morgen in seinem Bett erwachte, führte er die Kopfschmerzen auf den schlechten Brandy zurück. Und irgendein Blödmann hatte ihm orange und schwarze Streifen ins Gesicht gemalt.
     
    Es begann wieder zu regnen. Mumm mochte den Regen. Es wurden weniger Verbrechen verübt, wenn es regnete. Die Leute blieben zu Hause. In einigen der besten Nächte seines beruflichen Lebens hatte es aus Eimern geschüttet. Dann hatte er an einer windgeschützten Stelle im Schatten gestanden und dem silbrigen Prasseln des Regens gelauscht, den Kopf eingezogen, sodass zwischen Helm und Kragen kaum etwas zu sehen war.
    Einmal hatte er ganz still dagestanden, so sehr in Gedanken versunken und
nicht
da, dass ein fliehender Räuber, der seinen Verfolgern entkommen war, sich an ihn lehnte, um auszuruhen. Als Mumm die Arme um den Mann legte und ihm »Hab dich!« ins Ohr flüsterte, erschrak der arme Kerl so sehr, dass er das in die Hose machte, was er, wie ihn seine Mutter vor rund vierzig Jahren mit viel Geduld gelehrt hatte,
nicht
in die Hose machen sollte.
    Die Leute waren nach Hause gegangen. Fred Colon hatte den zusammengenähten Gappy zum Alten Flickschusterweg begleitet und den Eltern des jungen Mannes alles erklärt, mit strahlender Ehrlichkeit im runden, roten Gesicht. Rasen nahm vermutlich die Gelegenheit wahr, sein Bett zu benutzen.
    Und der Regen gurgelte in den Abflussrohren und spritzte aus Wasserspeiern und rauschte im Rinnstein und übertönte alle anderen Geräusche.
    Nützlicher Regen.
    Mumm nahm eine Flasche von Frau Ritters bestem Ingwerbier. Er erinnerte sich daran. Es enthielt unglaublich viel Kohlensäure und erfreute sich deshalb großer Beliebtheit. Nach nur einem Schluck davon konnte ein Junge mit dem richtigen Ansporn und nach guter Vorbereitung die ganze erste Strophe der Nationalhymne rülpsen. Solche Kunst gilt als sehr erstrebenswert, wenn man acht ist.
    Mumm hatte Colon und Keule für diese Aufgabe ausgewählt. Den jungen Sam wollte er nicht daran beteiligen. Das, was er plante, war keineswegs illegal, aber es hatte den Anschein von etwas Illegalem, und Mumm wollte nichts erklären müssen.
    Die Zellen waren alt, viel älter als das Gebäude über ihnen. Die eisernen Käfige waren recht neu und beanspruchten nicht den gesamten Platz. Es gab noch andere Zellen jenseits eines Durchgangs, die nichts weiter enthielten als Ratten und Plunder, aber – und das war wichtig – von den Käfigen aus konnte man sie nicht sehen.
    Mumm ließ den toten Armbrustschützen dorthin tragen. Dagegen gab es nichts einzuwenden. Es war mitten in der Nacht, das Wetter schlecht – welchen Sinn hatte es, zur Leichenhalle zu gehen, wenn es einen hübschen kalten Keller gab?
    Durchs Guckloch beobachtete er die Reaktion der drei Gefangenen, als der Tote an ihnen vorbeigetragen wurde. Der erste schien davon recht beeindruckt zu sein. Die beiden anderen wirkten wie Männer, die im Bemühen, Geld zu verdienen, viele üble Dinge gesehen hatten. Wenn sie dafür bezahlt wurden, zu stehlen, zu morden oder ein Polizist zu sein, war all dies für sie gleichermaßen in Ordnung. Sie hatten gelernt, nicht zu schnell auf einen Tod zu reagieren, der nicht sie selbst betraf.
    Der erste Mann hingegen wurde nervös.
    Mumm nannte ihn insgeheim Frettchen. Von allen dreien trug er die beste Kleidung, ganz schwarz. Der Dolch war recht teuer gewesen, und an einem Finger hatte Mumm einen silbernen Totenkopfring bemerkt. Die Kleider der beiden anderen waren unscheinbar, ihre Waffen fachmännisch, nichts Besonderes, aber oft benutzt.
    Kein echter Assassine trug Schmuck während der Arbeit. Er glänzte und konnte daher gefährlich werden. Doch Frettchen wollte ein großer Mann sein. Wahrscheinlich hatte er in den Spiegel gesehen, bevor er aufgebrochen war, um sich zu vergewissern, dass er cool aussah. Er gehörte zu den Narren, die Gefallen daran fanden, Frauen in Tavernen ihren Dolch zu zeigen.
    Kurz gesagt: Frettchen hatte große Träume. Frettchen hatte Phantasie.
    Und das war
gut.
    Die Wächter kehrten zurück und nahmen die von Mumm vorbereiteten Pakete.
    »Wir gehen schnell vor«, sagte Mumm. »Die Burschen sind besorgt und müde. Niemand ist gekommen, um sie abzuholen, und sie haben gerade einen sehr toten Kollegen gesehen.

Weitere Kostenlose Bücher