Die Nadel.
Nacht hatte er seinen Leibarzt kommen lassen.
Admiral von Puttkamer salutierte und wünschte einen guten Morgen.
Hitler wandte
sich um und musterte seinen Adjutanten. Seine glänzenden Knopfaugen machten von Puttkamer
immer wieder nervös.
Hitler fragte: »Ist die Nadel abgeholt worden?«
»Nein. Es gab Schwierigkeiten am Treffpunkt – die englische Polizei jagte
Schmuggler. Anscheinend war die Nadel sowieso nicht da. Er hat vor ein paar Minuten einen
Funkspruch gesendet.« Er reichte Hitler ein Blatt Papier.
Hitler nahm es entgegen,
setzte seine Brille auf und begann zu lesen:
EUER TREFFPUNKT UNSICHER IHR ARSCHLÖCHER
ICH BIN VERLETZT UND SENDE MIT DER LINKEN
HAND FIRST UNITED STATES ARMY GROUP IN EAST
ANGLIA UNTER PATTON ZUSAMMENGEZOGEN
SCHLACHTORDNUNG WIE FOLGT EINUNDZWANZIG
INFANTERIEDIVISIONEN FÜNF PANZERDIVISIONEN
ETWA FÜNFTAUSEND FLUGZEUGE UND ERFORDER-
LICHE TRUPPENTRANSPORTER IN THE WASH FUSAG
GREIFT CALAIS AM FÜNFZEHNTEN JUNI AN GRÜSSE
AN WILLI
Hitler gab von Puttkamer die Botschaft zurück und seufzte. »Also ist es
doch Calais.«
»Können wir diesem Mann trauen?« fragte der Adjutant.
»Absolut.« Hitler drehte sich um und ging durch das Zimmer zu einem Stuhl. Seine
Bewegungen waren steif, und er
schien Schmerzen zu haben. »Er ist ein aufrechter, treuer Deutscher. Ich
kenne seine Familie.«
»Aber Ihr Instinkt . . . «
»Ach . . . Ich habe
gesagt, daß ich dem Bericht dieses Mannes trauen werde, und daran halte ich mich.«
Er entließ von Puttkamer mit einer Handbewegung.
»Sagen Sie Rommel und von
Rundstedt, daß sie ihre Panzer nicht bekommen. Und schicken Sie den verdammten Arzt
herein.«
Der Adjutant salutierte wieder und ging hinaus, um die Befehle
weiterzugeben.
EPILOG
ls Deutschland England im
Viertelfinale der Fußballweltmeisterschaft von 1970 besiegte, war Großvater außer
sich.
Er saß vor dem Farbfernseher und brummelte durch seinen Bart auf den
Bildschirm ein. »List!« sagte er zu den verschiedenen Experten, die nun das Spiel
analysierten. »List und Tücke! So wird man mit den verdammten Deutschen fertig!«
Erst der Besuch seiner Enkelkinder stimmte ihn milder. Jos weißer Jaguar hielt auf der
Auffahrt zu dem bescheidenen Einfamilienhaus, und dann kam Jo selbst herein, in einer
schmucken Wildlederjacke, zusammen mit seiner Frau Ann und ihren Kindern.
»Hast du
das Spiel gesehen, Papa?« fragte Jo.
»Schrecklich«, sagte Großvater. »Wir waren
schwach.« Seit er aus dem Polizeidienst in den Ruhestand getreten war, hatte er mehr
Freizeit und hatte begonnen, sich für Sport zu interessieren.
Jo kratzte sich am
Schnurrbart. »Die Deutschen waren besser. Sie spielen guten Fußball. Wir können nicht
jedesmal gewinnen.«
»Erzähl mir nichts von den verfluchten Deutschen. List und
Tücke, so wird man mit ihnen fertig«, wiederholte Großvater. Er wandte sich an seinen
Enkel auf seinem Schoß. »So haben wir sie im Krieg geschlagen, Davy – wir haben sie
reingelegt.«
»Wie habt ihr sie reingelegt?« fragte Davy.
»Weißt du, wir
haben sie glauben lassen – « Großvaters Stimme wurde leise und verschwörerisch, und
das Kind kicherte voll Vorfreude. »Wir haben sie glauben lassen, daß wir Calais angreifen
wollten – «
»Das ist in Frankreich, nicht in Deutschland.«
Ann brachte
ihn zum Schweigen. »Laß Großvater seine Geschichten erzählen.«
»Wir ließen
sie jedenfalls glauben«, fuhr Großvater fort,»daß wir Calais
angreifen wollten. Deshalb brachten sie alle ihre Panzer und Soldaten hierher.« Er
benutzte ein Kissen für Frankreich, einen Aschenbecher für die Deutschen und einen
Brieföffner für die Alliierten. » Aber wir griffen die Normandie an, und dort war
niemand außer dem alten Rommel und ein paar Knallbüchsen – «
»Haben sie nichts
von dem Trick gemerkt?« wollte David wissen.
» Fast hätten sie’s
gemerkt. Es gab sogar einen Spion, der alles rausgefunden hat.«
»Was ist mit ihm
passiert?«
»Wir haben ihn getötet, bevor er was verraten konnte.«
»Hast
du ihn getötet, Opa?«
»Nein – das war Oma.«
Großmutter kam mit einer
Teekanne in der Hand herein und sagte: »Fred Bloggs, machst du den Kindern angst?«
»Warum sollen sie’s nicht erfahren?« knurrte er. »Sie hat einen Orden, wißt
ihr. Aber sie sagt mir nicht, wo sie ihn aufbewahrt, weil sie nicht will, daß ich ihn
Besuchern zeige.«
Sie goß den Tee ein. »Es ist alles
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