Die naechste Frau
Frauen!“, Jackie fasste sich an die Stirn, als es ihr jetzt erst aufging, was ihr da vor einer knappen halben Stunde widerfahren war. Sie brachte ihrem besten Freund gerade sein Motorrad zurück, und war dabei ihm zu erzählen wie es gelaufen war. Allerdings beschränkten sich ihre Ausführungen auf die Beschreibung einer fremden Frau, die sie unterwegs getroffen hatte. Zu seinem neuen Motorrad hatte sie sich bis jetzt noch nicht geäußert.
„Und du hast sie einfach so wieder weiter fahren lassen?“, fragte Klaus. Es überraschte ihn. So kannte er seine beste Freundin gar nicht. Jackie ließ sonst doch nichts anbrennen, um es vorsichtig auszudrücken.
„Sie war doch schon wieder weg, bis ich es überhaupt registriert habe. Ich wollte einfach nur sehen, ob sie Recht hatte, und hab versucht zu starten. Deine Maschine ist auch prompt wieder angesprungen. Du und dein Scheiß-Moped!“
„Woher soll ich wissen, dass du das nicht weißt?“ Jackies vernichtender Blick traf ihn. „Okay, ich hätte es vielleicht erwähnen sollen.“
„Diese Frau wollte mir helfen, kannst du dir das vorstellen? Lässt ihren Porsche stehen, um mir behilflich zu sein.“
„Ihren Porsche? Was für einen?“
„Einen Boxter, silbergrau mit weinrotem Dach und weinroten Ledersitzen. Die hatte Stil, durch und durch. Ich dachte eigentlich, sie wolle irgendwas von mir, nach dem Weg fragen oder so, und war noch genervter. Aber sie wollte mir helfen, und das konnte sie auch. Ich hätte nie gedacht, dass so eine Frau eine Ahnung von Motorrädern hat. Und dann versuchte die auch noch, mit mir zu flirten.“ Sie machte eine Pause, sah ihn verzweifelt an. „Und ich hab es noch nicht einmal kapiert“, sagte sie in einem Anfall von später Reue, während ihre Hand wieder durch ihre Haare fuhr.
„Du und nicht merken, dass eine Frau was von dir will?“ Klaus grinste. Das wäre dann heute die absolute Premiere gewesen, so etwas war ihr noch nie passiert. Und wenn das einer beurteilen konnte, dann er. Sie kannten sich schließlich seit der Grundschule. Jackie war so etwas wie seine jüngere Schwester. Und so führte sie sich manchmal auch auf.
Er schüttelte immer noch ungläubig den Kopf, als er seinen Helm nahm und wieder aufsetzte. Er stieg auf seine neue Chopper und nickte ihr zu. „Kommst du noch mit? Ich zahl dir auch ein Bier. Vielleicht erzählst du mir dann auch mal, wie du mein neues Motorrad findest.“
Mit einem Seufzen fuhr ihm Jackie auf ihrer BMW hinterher. Ein gemütlicher Abend in ihrer Stammkneipe würde ihr vielleicht helfen, dies Missgeschick zu vergessen.
Sie fuhren keine zehn Minuten bis zu ihrem Ziel. Von weitem konnte man bereits die Regenbogenfahne entdecken. Es war das gemütlichste schwul-lesbische Lokal im Umkreis von fünfzig Kilometern, sagte Klaus immer. Sie fühlten sich hier beide sehr wohl. Die meisten ihrer Freunde gingen hier ein und aus. Ein Geruch von Pizzaschnitten und Bier schlug ihnen entgegen, als sie das Lokal betraten. Sie gingen an den kleinen dunklen Holztischen im Eingangsbereich vorbei bis zum Tresen, der sich l-förmig im Innern des langgezogenen Raums befand. An den Wänden hingen Bilder aus den Sechzigern. Sie zeigten Politiker, Komiker, Berühmtheiten, was dem Ganzen einen eigenen Charme verlieh. Jackie und Klaus schnappten sich beide einen hohen Barhocker und setzten sich an den Tresen, wie bereits unzählige Male zuvor.
„Hallo Jackie“, grüßte die Barkeeperin. „Kannst du schon wieder Feierabend haben?“
Normalerweise hätte Jackie aufgelacht und sie jetzt alles Mögliche geheißen. Aber heute sagte sie nur: „Hallo Ritschie, machst du mir ein Bier?“
„Und mir bitte ein Pils“, bestellte Klaus.
Ritschie stellte das Gewünschte vor sie hin, vor Jackie zuerst. „Was ist los heute?“, fragte sie Jackie mit einem gutmütigen Lächeln. „Bist du schlecht drauf?“
„Ihr ist vorhin die Traumfrau durch die Lappen gegangen“, erklärte Klaus und grinste verstohlen. Hoffentlich ärgerte sich Jackie nicht über seine Bemerkung.
Aber Jackie schien tatsächlich angeschlagen zu sein. Sie hatte keine Lust, auf seine Hänseleien einzugehen.
„Oh je, du Arme. Dann geht der auf meine Rechnung“, sagte Ritschie und schenkte ihr einen Korn ein, nur einen kleinen, die Autofahrervariante sozusagen. Jackie überlegte nicht lange, sie nahm ihn an und leerte ihn in einem Zug.
„Warum bist du ihr nicht hinterhergefahren?“, fragte Klaus, um wenigstens so zu tun, als würde er
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