Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
der Stein? Oder sie bei ihm? Es war mitten in der Nacht! Vielleicht hatte sie Glück und es war wirklich der Professor ausgerastet.
Josef tippte kurz auf Phillips Notizblock: »Phillip, können Sie bitte die Adresse von diesem Professor ausfindig machen, mit dem die Stein verlobt war?«
»Welcher Professor?«
»Hermann Dornhelm. Professor für Philosophie. Er ist auf der Hauptuni erreichbar. Morgen früh.«
Ungerührt ob des allgemeinen Erstaunens, das er verursacht hatte, untersuchte Josef die Leiche weiter. Maria bedachte ihren Kollegen mit einem Lächeln.
»Josef, du erstaunst mich immer wieder. Ich dachte nicht, dass du Gesellschaftskolumnen liest.«
Josef schüttelte nur indigniert den Kopf.
»Er war mein Kommilitone.«
»Aber du bist doch Mediziner!«
»Ich habe auch Philosophie studiert. Als Ausgleich.«
Gerry zippte sich die Jacke zu.
»Das ist wieder typisch für unseren lieben Jo. Zieht sich eines der schwersten Studien als Ausgleich rein. Alle Achtung … Also, meine Lieben, die Dunkelkammer ruft. Sag, Mary, was ist jetzt? Gehst du mit mir heute zu dem Karaoke-Abend?«
»Was wird Angie dazu sagen?«
»Mein Engel, du bist eine Ausnahme.«
»Gerry, ich habe dir schon gesagt, dass ich nicht singen kann.«
»Das ist doch völlig egal. Es geht doch nur um den Spaß.«
»Ich weiß noch nicht. Mal sehen, wie sich der Fall entwickelt.«
»Du kannst nicht immer nur arbeiten.«
»Aber momentan habe ich Lust dazu.«
Gerry sah Maria tief in die Augen.
»Vergiss ihn endlich.«
»Ich melde mich bei dir. Okay?«
»Okay.«
»Wann kriege ich die Fotos?«
»In fünf Stunden hast du sie auf dem Schreibtisch.«
Gerry setzte wieder sein bubenhaftes Lächeln auf und tänzelte aus dem Raum. Maria beneidete ihn. Für Gerry war das Leben ein permanentes Spiel. Sie selbst war auch kein Kind von Traurigkeit. Doch immer wieder senkten sich förmlich Schatten über ihre Lebenslust. Sie fühlte sich dann wie einer dieser Detektive in einem Film noir. Ja, und das waren dann die Zeiten, in denen sie an der Menschheit verzweifelte. Das waren dann die Phasen, in denen ihr Morde ganz nahe gingen. Das waren dann die Momente, in denen ihr alles ganz sinnlos erschien. Wahrscheinlich war sie Polizistin geworden, weil sie endlich verstehen wollte, warum die Menschen einander umbrachten. Nur – es hatte bislang nichts geholfen. Sie war noch immer im Grunde ihres Herzens fassungslos.
Phillip hatte inzwischen das Adressbuch der Stein gefunden und die Daten von Dornhelm herausgeschrieben. Er wohnte wie seine Verlobte in der Josefstadt, eine der teureren Gegenden in Wien. Maria würde ihn befragen müssen. Das war immer der unangenehmste Teil einer Ermittlung. Die Benachrichtigung des Lebenspartners, der noch dazu der Mörder sein konnte. Man selbst musste ehrlich und mitfühlend wirken und zugleich auf jede noch so kleine Reaktion des Betroffenen achten. Ein Drahtseilakt. Denn wenn der Mann sich als unschuldig herausstellte, fühlte er sich zu Recht von indiskreten Blicken und Fragen gekränkt. Er war ja der Liebende. Und Maria konnte seinen Schmerz über den Verlust seiner Angebeteten nachempfinden. Nein, sie durfte sich nicht von persönlichen Gefühlen leiten lassen. Dornhelm war der Hauptverdächtige. Punkt.
Gemeinsam mit Phillip inspizierte sie die Wohnung. Schon alleine der Gang ihres neuen, jungen Kollegen ging ihr auf die Nerven – schaut her, was für ein Gemächt ich habe. Maria hatte nicht geglaubt, dass es diese Art Mann noch geben könnte. Wie ist Phillip bloß erzogen worden? Er schien aus einem anderen Jahrhundert zu kommen. Nein, das war es auch nicht. Denn früher, als die Mann-Frau-Rollen noch klar verteilt waren, gab es zumindest Gentlemen. Phillip aber war weder mitfühlend noch ein Gentleman. Er war ein aufgeblasener Möchtegernmacho mit schlechten Manieren und dem geistigen Horizont eines Barrakudas. Naja, Letzteres musste sie widerrufen. Phillip war intelligent. Und gerade deswegen ärgerte es Maria so sehr, dass er immer wieder dumme Vorurteile vor sich hertrug wie eine Standarte. Mit seinen blöden Sprüchen rief er zum Kampf auf gegen alles, was seine kleine, heile Welt, in der er das Sagen hatte, gefährden konnte. Maria beobachtete Phillip, als er zur Bücherwand ging. Natürlich schenkte er seine Aufmerksamkeit nicht Sartre oder zumindest Crichton, nein, er griff sofort zu einem der zahlreichen Sexbücher. Allerdings musste sich Maria eingestehen, dass diese Literatur für diesen Fall
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