Die Navigatorin (German Edition)
zugänglich", erklärte Mucar. Dann bekam seine Stimme einen ironischen Klang: "Ach ja! Wir Krieger der ul'chanischen Konföderation tun ja nichts anderes, als uns in unserer Freizeit zu besaufen und zu prügeln. Und so etwas ist natürlich nichts für Hassol-Frauen."
"Ist es auch nicht", zischte Kyrell.
Mucar erhob sich seufzend von seinem Hocker.
"Dann pflegen Sie doch weiter ihre kleinen Vorurteile über die Ch'tarr. Morgen benötigen wir Ihre Hilfe übrigens nicht. Sie können den Tag verbringen, wie es Ihnen gefällt."
"Ein freier Tag?", fragte Kyrell erstaunt.
"Nun, Sie können ihn gebrauchen, oder?"
"Ich habe nicht darum gebeten."
"Ich tue, was ich für richtig halte", sagte Mucar. Bevor Kyrell noch etwas sagen konnte, verschwand er in seiner eigenen Kabine. Das Schott schloss sich zischend hinter ihm. Aufstöhnend vergrub Kyrell ihren Kopf in ihrem Kissen. Sie wollte nur ihre Ruhe und die verdammten Ch'tarr vergessen. Doch der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Grübelnd fragte sie sich, ob sie wirklich so intolerant war, wie Mucar es andeutete. Die Kinder Uls, zu denen auch die Ch'tarr gehörten, waren eine gefährliche Kriegerspezies. Seit zehntausend Jahren brachten sie Tod und Verwüstungen in alle Regionen des erforschten Weltalls, annektierten Planeten, gingen auf Raubzüge. Vorsicht im Umgang mit ihnen war nicht nur angebracht, sondern lebensnotwendig.
Andererseits genoss Kyrell Gastrecht auf der Gorasul. Der Arbeitskontrakt garantierte ihre persönliche Sicherheit, und bisher gab es an den Sicherheitsmaßnahmen nicht das Geringste auszusetzen. Zwei Leibwächter standen Kyrell jederzeit zur Verfügung und der Stellvertreter des Kommandanten kümmerte sich persönlich um ihr Wohl. Und eine Spezies, die seit zehntausend Jahren erfolgreich war, musste doch auch so etwas wie Kultur besitzen. Die Vorstellung, einen ganzen Tag allein in ihrer Kabine sitzen zu müssen, gab den Ausschlag. Entschlossen erhob sich Kyrell von ihrer Koje und ging zu dem Schott, das die beiden Kabinen miteinander verband. Sie pochte dagegen. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis die Tür sich öffnete.
"Fehlt Ihnen etwas, Navigatorin Kyrell?", fragte Mucar kühl.
Verblüfft starrte Kyrell ihn an. Er hatte seine lederne Uniform gegen zivile Kleidung ausgetauscht. Statt des Lederharnisches trug er ein weißes Hemd aus edlem Tuch. Seine Beine steckten in einer locker fallenden schwarzen Hose. Mit der Uniform schien er auch etwas von seiner Strenge und Arroganz abgelegt zu haben. Sein Gesicht wirkte weicher, angenehmer, richtig attraktiv. Von ihm ging plötzlich eine Anziehungskraft aus, die Kyrell vorher nicht empfunden hatte.
"Kyrell?", mahnte Mucar.
"Ich habe noch nie einen Ul'cha in ziviler Kleidung gesehen", entfuhr es ihr.
"Ist das der Grund Ihrer Störung?"
"Ich würde gerne an den Essen in der Offiziersmesse teilnehmen. In meiner Kabine ist es wirklich etwas einsam. Und über Ihre Einladung, das Branding des Chirens beobachten zu dürfen, fühle ich mich geehrt. Ich hoffe, es ist nicht zu spät, sie anzunehmen."
"Ich werde alles in die Wege leiten", antwortete Mucar. "Und Sie können jederzeit in die Offiziersmesse gehen. Patarin Karst wird sich freuen, Sie endlich bei den Mahlzeiten begrüßen zu dürfen."
"Ich wusste nicht, dass er meine Anwesenheit dort erwartete."
"Der Patarin respektierte Ihre Zurückgezogenheit. Für ihn ist nur wichtig, dass Sie sich wohl fühlen. Das Projekt muss ein Erfolg werden, sonst verliert Karst vor unserem Anführer das Gesicht."
"Ich bin der Aufgabe gewachsen, sonst hätte ich sie nicht angenommen", sagte Kyrell.
"Ich zweifele nicht an Ihren Fähigkeiten", erwiderte Mucar.
"Das ist ja etwas ganz neues", entfuhr es Kyrell.
"Sie schaffen es immer wieder, mich zornig zu machen", knurrte Mucar.
"Ihr ständiges Misstrauen ist auch nicht einfach zu ertragen", gab Kyrell zurück.
"Kommen Sie! Trinken wir etwas miteinander", wechselte Mucar das Thema.
"Ich habe Ihnen doch schon erklärt, wie Alkohol auf mich wirkt", sagte Kyrell.
"Ich habe auch Akar-Saft in meinem Privatfundus", entgegnete Mucar. Er zeigte auffordernd auf seine Klappcouch. Zögernd betrat Kyrell die Kabine des Darmons. Sie war größer als die ihre, ausgestattet mit einem Schreibtisch, einer Couch und sogar einer kleinen Sitzecke. Die Schlafkoje war doppelt so groß wie die ihre. Kyrells Blick fiel darauf, bevor sie sich auf die Couch setzte. Mucar bemerkte es, als er die Getränke zubereitete.
"Sie befürchten immer noch, ich
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