Die Nebel von Avalon
nicht bewegen, und Gwenhwyfar schnitt das Fleisch für ihn. Morgause bemerkte, daß niemand den beiden die geringste Aufmerksamkeit schenkte.
Gareth und Gawain saßen weiter unten an der Tafel in der Nähe von Gwydion, der seinen Teller mit Niniane teilte. Morgause ging zu ihnen, um sie zu begrüßen. Gwydion hatte gebadet und seine Locken sorgfältig gekämmt. Aber ein Bein war verbunden und lag auf einem Schemel. »Bist du verwundet, mein Sohn?«
»Es ist nicht so schlimm«, erwiderte er. »Ich bin inzwischen zu groß, Mutter, um mich noch auf Euren Schoß zu flüchten, wenn ich mir den Fuß anstoße!«
»Es sieht nach etwas Schlimmerem aus«, sagte sie und betrachtete den Verband genauer, dessen Ränder blutverkrustet waren. »Aber wenn du willst, werde ich nicht weiter in dich dringen. Hast du eine neue Tunika?«
Es war eine Tunika in der Art, wie viele Sachsen sie jetzt trugen. Die langen Ärmel bedeckten das Handgelenk und die halbe Hand. Sie war aus blauem Stoff und mit roten Stickereien geschmückt. »Sie ist ein Geschenk von Ceardig. Er sagte, sie sei für einen christlichen Hof gut geeignet, denn sie verdeckt die Schlangen von Avalon.«
Er lächelte spöttisch. »Vielleicht sollte ich meinem König in diesem Winter eine solche Tunika als Neujahrsgeschenk überreichen!«
»Kaum jemandem würde etwas auffallen«, bemerkte Gawain. »Heute denkt niemand mehr an Avalon, und die Schlangen auf Artus' Handgelenken sind so verblaßt, daß niemand ihn tadeln würde, wenn er sie sehen sollte.«
Morgause betrachtete Gawains geschwollenes Gesicht und die blutunterlaufenen Augen. Er hatte wirklich mehr als einen Zahn verloren, und auch an seinen Händen sah sie Schnitte und Quetschungen. »Auch du bist verwundet, mein Sohn?«
»Nicht vom Feind«, knurrte Gawain. »Dies verdanke ich einem unserer Sachsenfreunde… einem von Ceardigs Männern. Diese verfluchten, ungehobelten Bastarde! Mir gefiel es besser, als sie noch unsere Feinde waren!«
»Du hast mit ihm gekämpft?«
»Ja, und ich werde es auch wieder tun, wenn er es wagen sollte, noch einmal sein dreckiges Maul aufzureißen und etwas gegen meinen König zu sagen«, schimpfte Gawain. »Gareth hätte mich auch nicht heraushauen sollen. Ich bin groß genug, um meine Kämpfe auszufechten, ohne daß mein kleiner Bruder mir zu Hilfe kommt…«
»Er war doppelt so groß wie du«, erklärte Gareth und legte seinen Löffel auf den Tisch. »Du lagst am Boden, und ich glaubte, er würde dir den Rücken oder die Rippen brechen… Vielleicht hat er es sogar getan. Sollte ich etwa ruhig mitansehen, wie ein großmäuliger Barbar meinen Bruder erschlägt und schlecht über unseren Verwandten redet? Er wird sich gut überlegen, so etwas noch einmal zu behaupten.«
»Aber«, entgegnete Gwydion ruhig, »du kannst nicht das ganze Sachsenheer zum Schweigen bringen, Gareth. Noch dazu wenn das, was sie sagen, die Wahrheit ist. Es gibt ein Wort, und es ist kein schönes Wort für einen Mann, selbst wenn er ein König ist, der seelenruhig mit ansieht, daß ein anderer die ehelichen Pflichten im Bett seiner Frau übernimmt…«
»Du wagst es!« Gareth erhob sich halb und packte Gwydion an seiner Tunika. Gwydion griff sich mit beiden Händen an den Hals, um sich aus Gareths Griff zu befreien.
»Nur ruhig, Ziehbruder!« Er wirkte neben dem riesigen Gareth wie ein Kind. »Willst du mich zusammenschlagen wie diesen Sachsen, nur weil ich hier unter Brüdern die Wahrheit sage? Oder muß auch ich die freundliche Lüge hier am Hof aufrechterhalten? Muß auch ich den Mund halten, wenn jeder zusieht, wie die Königin vor allen Augen mit ihrem Geliebten zusammensitzt?«
Gareth lockerte langsam den Griff, und Gwydion sank auf seinen Platz zurück. »Wenn Artus sich nicht über das Betragen seiner Königin beklagt, wieso soll ich dann etwas sagen?«
Gawain murmelte: »Dieses verfluchte Weib! Hätte Artus sie doch verstoßen, solange noch Zeit dazu war! Mir gefällt dieser christliche Hof mit all den Sachsen ohnehin nicht. Als ich Artus' Ritter wurde, gab es im ganzen Land keinen Sachsen, der religiöser gewesen wäre als ein Schwein im Koben!«
Gwydion machte eine wegwerfende Geste, und Gawain fuhr ihn an: »Ich kenne sie besser als du. Ich habe schon gegen die Sachsen gekämpft, als du noch in den Windeln lagst! Soll Artus' Hof sich vielleicht nach den Vorstellungen dieser haarigen Wilden richten?«
»Du kennst die Sachsen nicht halb so gut wie ich«, entgegnete Gwydion. »Du lernst
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