Die Nebel von Avalon
niemanden kennen, wenn du ihm nur mit der Axt in der Hand begegnest. Ich habe an ihren Höfen gelebt, mit ihnen getrunken und ihre Frauen umworben. Ich wage zu sagen, ich kenne sie gut. Und das tust du nicht. Soviel ist wahr, in ihren Augen sind Artus und sein Hof zu heidnisch und zu verderbt.«
»Ausgerechnet
sie
müssen das sagen«, schnaubte Gawain.
»Aber«, beharrte Gwydion, »man kann nicht so einfach darüber
hinweggehen, daß diese Männer ungestraft behaupten können, Artus sei verderbt…« »Ungestraft sagst du?« brummte Gareth. »Ich glaube, Gawain und ich haben ihnen den Kopf kräftig zurechtgerückt!«
»Willst du dich mit dem ganzen Sachsenhof anlegen? Es ist doch besser, den Stein des Anstoßes aus dem Weg zu räumen«, erklärte Gwydion. »Kann Artus seine Gemahlin nicht zur Vernunft bringen?«
Gawain erwiderte: »Da muß ein tapfererer Mann her als ich, um Artus etwas Schlechtes über Gwenhwyfar ins Gesicht zu sagen.«
»Aber es muß sein«, sagte Gwydion. »Als Großkönig all dieser Männer kann Artus sich nicht lächerlich machen. Wer wird einem Hahnrei die Treue schwören und ihm in Krieg und Frieden gehorsam sein. Irgendwie muß er die Verderbtheit an diesem Hof beseitigen… Er kann die Frau doch in ein Kloster schicken oder Lancelot verbannen…«
Gawain sah sich ängstlich um: »Um Gottes willen, sprich leise. Hier in der Halle sollte man so etwas nicht einmal flüstern.«
»Es ist besser,
wir
flüstern es ihnen, als daß man im ganzen Land über sie flüstert«, entgegnete Gwydion. »Um Gottes willen, dort sitzen die beiden neben ihm, und er lächelt sie auch noch an! Soll man über Camelot nur noch lachen? Soll das hier ein Hurenhaus werden?«
»Nun halte dein dreckiges Maul, oder ich werde es dir stopfen«, knurrte Gawain und packte Gwydion mit eisernem Griff an den Schultern.
»Wenn ich lügen würde, Gawain, könntest du versuchen, mir mein Maul zu stopfen. Aber kannst du die Wahrheit mit deinen Fäusten unterdrücken? Oder bleibst du immer noch dabei, daß Gwenhwyfar und Lancelot unschuldig sind? Gareth, du bist dein ganzes Leben lang sein Liebster und sein Günstling gewesen. Ich will gerne glauben, daß du deinem Freund nichts Schlechtes nachsagen willst…«
Gareth biß sich auf die Lippen: »Es ist wahr. Ich wünschte, diese Frau wäre auf dem Meeresgrund oder hinter dicken Klostermauern in Cornwall. Aber solange Artus nichts sagt, werde ich auch meinen Mund halten. Sie sind alt genug, um den Anstand zu wahren. Alle Männer wissen, daß Lancelot seit vielen Jahren der Ritter der Königin ist…«
»Wenn ich nur einen Beweis hätte, dann würde Artus vielleicht auf mich hören«, sagte Gwydion.
»Verdammt, ich bin sicher, Artus weiß alles, was es zu wissen gibt. Aber es ist an ihm einzuschreiten, oder den Dingen ihren Lauf zu lassen… Und er will kein Wort gegen Lancelot oder Gwenhwyfar hören.« Gawain schluckte und fuhr dann fort: »Lancelot ist mein Vetter und mein Freund. Aber… verdammt… glaubst du, ich hätte es nicht versucht?«
»Und was hat Artus geantwortet?«
»Er sagte, es stehe mir nicht zu, die Königin zu tadeln. Was auch immer sie tut, sei richtig. Er blieb höflich. Aber mir war klar, er wußte, was ich sagen wollte und gab mir zu verstehen, ich soll mich nicht einmischen.«
»Aber wenn er es auf eine Weise erfahren würde, daß er es einfach nicht übergehen könnte«, sagte Gwydion nachdenklich. Dann hob er die Hand und winkte Niniane. Sie saß immer noch zu Artus' Füßen und spielte leise auf ihrer Harfe. Sie bat den König um Erlaubnis, sich zu entfernen, erhob sich und kam zu Gwydion.
»Meine Herrin«, fragte Gwydion, »ist es wahr, daß sie…«, er neigte den Kopf kaum merklich in Gwenhwyfars Richtung, »… ihre Frauen oft für die Nacht entläßt?«
Niniane erwiderte ruhig: »Solange die Legion nicht hier war, hat sie es nicht einmal getan.«
»Wenigstens wissen wir jetzt, daß die Dame treu ist«, bemerkte Gwydion zynisch, »und ihre Gunst nur einem schenkt.«
»Niemals hat jemand etwas anderes behauptet«, sagte Gareth ärgerlich. »Und in ihrem Alter… sie sind beide älter als du, Gawain… kann es niemandem schaden, was immer sie auch tun.«
»Nein, ich sage das im Ernst«, entgegnete Gwydion ebenso hitzig. »Wenn Artus Großkönig bleiben soll…«
»Wolltest du nicht sagen«, unterbrach Gareth ihn wütend, »wenn du Großkönig nach ihm werden sollst…«
»Was willst du, Bruder? Soll ich das ganze Land den Sachsen
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