Die Nebel von Avalon
Blutbad unter ihnen angerichtet«, sagte Gwydion. »Er berichtete Artus, seine Männer seien mit vergifteten Elfenpfeilen beschossen worden. Deshalb gab er ihnen Erlaubnis, alle umzubringen, die sie finden konnten. Und jetzt jagen sie die Hirsche… Artus wird gegen Aedwin zu Felde ziehen, wenn es sein muß. Ich wünschte, Aedwin würde eine bessere Sache vertreten… Meine Ehre verlangt, daß ich alle beschütze, die nach Avalon blicken.«
»Und Artus kämpft für das Kleine Volk?« fragte Niniane überrascht. »Ich dachte, er habe sich von Avalon losgesagt.«
»Von Avalon vielleicht. Aber nicht vom schutzlosen Volk auf der Insel.« Gwydion schwieg, und Niniane wußte, er dachte an den Tag auf der Dracheninsel. Er glitt mit den Fingern über die eingeritzten blauen Schlangen auf seinem Handgelenk, dann zog er entschlossen die Ärmel seiner sächsischen Tunika darüber. »Ich frage mich, ob ich immer noch einen Hirschkönig nur mit meinen Händen und einem Steinmesser besiegen könnte.«
»Bestimmt, wenn du herausgefordert würdest«, erwiderte Niniane. »Die Frage ist nur, wäre Artus dazu in der Lage? Wenn nicht…« Sie ließ die Antwort unausgesprochen in der Luft hängen.
Gwydion betrachtete den dichten Nebel und sagte düster: »Ich glaube nicht, daß er sich auflöst. Hier ist es immer neblig. Camelot ist inzwischen in so dichten Nebeln gehüllt, daß die Boten der Sachsenkönige manchmal ihren Weg nicht finden… Wird Camelot auch im Nebel entschwinden, Niniane?«
Sie wollte es ihm scherzhaft ausreden, überlegte aber und sagte: »Ich weiß es nicht. Die Dracheninsel ist entweiht. Das Alte Volk stirbt aus oder ist bereits tot, und die heiligen Hirschrudel fallen den sächsischen Jägern zur Beute. Die Barbaren aus dem Norden plündern die Küsten. Werden sie eines Tages Camelot besiegen, wie die Goten einst Rom niedergezwungen haben?«
»Wenn ich es nur rechtzeitig gewußt hätte«, erklärte Gwydion mit unterdrücktem Zorn und schlug die Fäuste gegeneinander. »Wenn die Sachsen Artus einen Boten geschickt hätten. Er hätte mich damit betrauen können… oder einen anderen… die Heilige Insel zu schützen, auf der er zum Hirschkönig gemacht wurde, und wo er die Heilige und Große Ehe mit dem Land schloß. Jetzt ist der Schrein der Göttin entweiht, und da er nicht gestorben ist, um ihn zu schützen, hat er seine Königswürde verwirkt.«
Niniane hörte, was er nicht aussprach.
Und meine ebenfalls.
Sie versuchte, ihn zu beruhigen. »Du wußtest nichts von dieser Gefahr.«
»Auch das werfe ich Artus vor«, grollte Gwydion. »Die Sachsen nahmen sich das heraus, ohne vorher seine Erlaubnis einzuholen… sagt dir das nicht auch deutlich, wie wenig sie von ihm als Großkönig halten? Und warum wohl? Ich will es dir sagen, Niniane… Ein König, der ein Hahnrei ist, der seine Frau nicht zur Ordnung rufen kann, gilt in ihren Augen wenig…«
»Du bist in Avalon erzogen worden«, erwiderte sie ärgerlich, »und du willst Artus nach den Maßstäben der Sachsen messen, die noch schlimmer sind als die der Römer? Soll der Bestand oder der Untergang eines Reiches davon abhängen, wie gut oder wie schlecht ein Mann seine Frau beherrscht? Du sollst König werden, Gwydion, weil du dem königlichen Geschlecht von Avalon entstammst, und weil du ein Kind der Göttin bist…«
»Ach«, Gwydion spuckte verächtlich aus und machte eine häßliche Bemerkung. »Ist dir nie der Gedanke gekommen, Niniane… daß Avalon wie Rom fiel, weil der Kern des Reiches von Verderbtheit befallen war? Nach dem Gesetz von Avalon hat Gwenhwyfar nur getan, was ihr zusteht… die Herrin kann ihren Gefährten frei wählen. Aber Lancelot hätte Artus stürzen müssen! O ja, Lancelot ist selbst ein Sohn der Hohepriesterin… warum sollte er nicht Artus' Platz einnehmen? Aber wird unser König gewählt, weil eine Frau ihn in ihrem Bett haben möchte?« Wieder spuckte er verächtlich aus. »Nein, Niniane, die Zeit ist vorüber… zuerst waren es die Römer, und jetzt wissen die Sachsen, wie die Welt sein muß. Die Welt ist nicht länger ein großer Mutterleib, der Männer hervorbringt… jetzt entscheiden Männer und Heere über Leben oder Tod. Welches Volk würde mich als König anerkennen, nur weil ich der Sohn dieser oder jener Frau bin? Jetzt erbt der Sohn des Königs das Reich. Und wollen wir etwas verwerfen, nur weil die Römer damit begonnen haben? Wir besitzen jetzt bessere Schiffe… wir werden Länder entdecken, die weiter draußen
Weitere Kostenlose Bücher