Die Nebel von Avalon
stand sie plötzlich im Gang zu den Frauengemächern. Lancelot schob sie in rasender Eile vor sich her. In der Dunkelheit stürzte sich jemand auf ihn, Lancelot fällte ihn erbarmungslos mit einem einzigen Hieb, und sie rannten weiter.
»Zu den Ställen«, keuchte er. »Auf die Pferde, und nichts wie weg.«
»Warte!« Gwenhwyfar packte ihn am Arm. »Wenn wir uns Artus vor die Füße werfen… oder du fliehst, und ich bleibe und stelle mich dem König…«
»Gareth hätte vielleicht für Gerechtigkeit sorgen können. Aber wenn Gwydion seine Hände im Spiel hat, würden wir nicht lebend vor den König gelangen. Ich habe ihm den richtigen Namen gegeben… Mordred!«
Er eilte mit ihr zu den Ställen und sattelte in fliegender Hast sein Pferd. »Wir haben keine Zeit, um dein Pferd zu suchen. Du mußt hinter mir sitzen. Halte dich gut fest… Ich muß die Wachen am Tor überreiten.«
Gwenhwyfar erlebte einen neuen Lancelot. Er war nicht mehr ihr Geliebter, sondern der harte, kampferprobte Kämpe. Wie viele Männer hatte er in dieser Nacht erschlagen? Ihr blieb keine Zeit, sich zu fürchten, als der Ritter sie auf das Pferd hob und dann selbst aufsaß.
»Halte dich an mir fest«, sagte er, drehte sich um und gab ihr einen langen heftigen Kuß. »Es war meine Schuld. Ich hätte wissen müssen, daß dieser teuflische Bastard uns auflauern würde… Was auch geschehen mag, wenigstens ist es jetzt vorbei. Es gibt keine Lügen und kein Versteckspiel mehr. Du bist für immer mein…« Zitternd brach er ab, drehte sich ungestüm um und griff nach den Zügeln. »Und jetzt geht es los!«
Morgause starrte voll Entsetzen auf Gwydion, der sich schluchzend über ihren jüngsten Sohn beugte. Vor Jahren halb im Ernst gesprochene Worte stiegen in ihr auf… Gwydion hatte sich geweigert, im Turnier gegen Gareth zu kämpfen…
Mir schien, als würdest du im Sterben liegen… und ich wußte, es war meine Schuld, daß das Leben aus dir wich… ich will das Schicksal nicht versuchen.
Lancelot hatte es getan, und Gareth hatte Lancelot immer über alles geliebt! Einer der Männer im Raum sagte: »Sie entkommen uns…«
»Was kümmert mich das?« stieß Gwydion wimmernd hervor. Morgause bemerkte jetzt erst, daß er blutete. Sein Blut mischte sich mit Gareths Blut auf dem Fußboden. Sie zog das Leinentuch vom Bett, riß es in Streifen und legte es auf die Wunde.
Gawain erklärte düster. »Kein Mensch in ganz Britannien wird sie aufnehmen und verbergen. Lancelot ist jetzt ein Verfemter. Er wurde beim Verrat an seinem König überrascht, und er hat sein Leben verwirkt. Oh, mein Gott! Ich wünsche, es wäre nie dazu gekommen!«
Er betrachtete sich Gwydions Verletzung und erklärte dann achselzuckend: »Es ist nur eine Fleischwunde… das Bluten läßt bereits nach. Es wird verheilen, aber du wirst ein paar Tage nicht sitzen können. Gareth…«, ihm brach die Stimme, und der große, rauhe, grauhaarige Mann begann wie ein Kind zu weinen, »Gareth hat das Unglück getroffen. Ich werde ihn rächen. Lancelot wird von meiner Hand sterben, selbst wenn ich dabei den Tod finde. O Gott, mein Kleiner… mein kleiner lieber Bruder…« Gawain kniete nieder und wiegte den leblosen Körper in seinen Armen. Schluchzend fragte er: »War es das wert, Gwydion? War es Gareths Leben wert?«
»Steh auf, mein Junge«, sagte Morgause mit gepreßter Stimme… Gareth, ihr Kleiner… ihr letztes Kind. Sie hatte ihn schon vor langer Zeit an Artus verloren. Aber sie erinnerte sich immer noch an den blonden Knaben, der einen hölzernen, bemalten Ritter mit sich herumtrug.
Und eines Tages werden wir zusammen ausziehen und Abenteuer suchen, edler Lancelot …
immer nur Lancelot! Aber nun hatte Lancelot den Bogen überspannt. Jeder Mann in ganz Britannien war jetzt gegen ihn. Ihr blieb immer noch Gwydion… ihr heißgeliebter Ziehsohn, der eines Tages mit ihr an der Seite König sein würde…
»Steh auf, Gwydion! Steh auf, du kannst für Gareth nichts mehr tun. Ich will deine Wunde verbinden, dann gehen wir zu Artus und berichten ihm, was geschehen ist. Er kann dann seine Männer ausschicken, um die Verräter zu suchen.«
Gwydion schüttelte mit einer heftigen Bewegung ihre Hand ab. »Geh mir aus den Augen, verfluchtes Weib!« brach es aus ihm heraus, und seine Stimme klang furchterregend. »Gareth war von uns allen der Beste, und ich hätte ihn nicht für ein Dutzend Könige geopfert. Du warst es, du mit deinem Haß gegen Artus hast mich immer weiter getrieben!
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