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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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die Möglichkeit hatte, eigene Gedanken zu entwickeln, und sie wendete sich nach innen, um sich selbst zu finden. Sie brachte ihrer Tochter das Spinnen bei und lehrte ihre Schwester Morgause, mit mehrfarbigen Garnen zu weben. Sie legte Vorräte an, denn der Winter drohte länger und kälter als gewöhnlich zu werden, und sie lauschte begierig den spärlichen Nachrichten, die Schafhirten oder Reisende vom Markt mitbrachten – aber es kamen nur wenige, denn der Winter umschloß Tintagel mit eisiger Faust.
    Samhain war bereits vorüber, als sich eine Hökerin zur Burg hochschleppte. Sie ging in Lumpen und war erschöpft und konnte sich kaum noch aufrecht halten. Um die Füße hatte die Frau Lappen gewikkelt; sie starrte vor Schmutz. Aber Igraine ließ sie hereinführen und wies ihr einen Platz am Feuer zu. Außer dem trockenen Kanten Brot, der ihre übliche Ration gewesen wäre, gab sie ihr noch eine Schale kräftigen Eintopf mit Ziegenfleisch. Igraine bemerkte, daß die Frau hinkte, weil sie sich an einem Stein verletzt hatte, und sie befahl der Köchin, Wasser heiß zu machen. Dann verband sie die Wunde mit einem sauberen Tuch. Sie kaufte der Frau zwei Nadeln ab – sie waren ziemlich dick; Igraine hatte bessere, aber immerhin konnte sie Morgaine damit das Nähen beibringen. Dann fragte sie im Gefühl, es verdient zu haben, die Frau nach Neuigkeiten aus dem Norden.
    »Überall Soldaten, Herrin«, sagte die alte Frau seufzend, »die Sachsen sammeln sich auf den Straßen im Norden, und es gab auch eine Schlacht… Uther kämpft unter dem Drachenbanner, die Sachsen stehen nördlich von ihm, und man sagt, der Herzog von Cornwall bedrängt ihn im Süden. Überall gibt es Kämpfe, selbst auf der Heiligen Insel…«
    Igraine fragte: »Kommst du von der Heiligen Insel?«
    »Ja, Herrin, die Dunkelheit überfiel mich am See, und ich verirrte mich im Nebel… die Priester gaben mir trockenes Brot. Sie wollten, daß ich die Messe höre und zur Beichte gehe. Aber was für Sünden hat eine alte Frau wie ich zu beichten? Mein Leben liegt hinter mir. Meine Sünden sind vergessen, vergeben, und ich bedaure sie noch nicht einmal«, erwiderte sie leise kichernd. Igraine hielt die Hökerin für nicht besonders klug und glaubte, das bißchen Verstand, das sie besaß, sei durch die Einsamkeit auf der langen Wanderschaft abhanden gekommen. »Ja, es stimmt, die Alten und Armen haben wirklich wenig Gelegenheit zu sündigen. Sie können höchstens an Gottes Güte zweifeln«, redete das Weib weiter. »Wenn Gott nicht versteht, warum wir daran zweifeln, dann ist er eben nicht so weise, wie seine Priester behaupten, hi, hi, hi… Aber ich wollte die Messe nicht hören, und in ihrer Kirche war es kälter als im Freien. Also wanderte ich im Nebel und im Dunst weiter. Dann sah ich ein Boot. Irgendwie kam ich auf die Heilige Insel. Die Frauen der Herrin gaben mir zu essen und einen Platz am Feuer wie Ihr… hi, hi, hi…«
    »Du hast die Herrin gesehen?« fragte Igraine, beugte sich vor und sah der Frau ins Gesicht. »Sag mir, wie es ihr geht. Sie ist meine Schwester…«
    »Ja, das hat sie mir gesagt. Sie sagte, ihre Schwester sei die Gemahlin des Herzogs von Cornwall… wenn der Herzog von Cornwall noch am Leben ist, und das wußte sie nicht… hi, hi, hi… Ach ja, sie gab mir eine Botschaft für Euch mit auf den Weg. Deshalb bin ich über die Heide und die Felsen gekommen, und meine armen Füße sind von den Steinen schlimm zerschunden, hi, hi, hi… o je, was hat sie mir noch gesagt? Ich kann mich nicht daran erinnern. Ich glaube, ich habe die Botschaft im Nebel, der die Heilige Insel umgibt, verloren. Wißt Ihr, die Priester sagen, es gibt keine Heilige Insel mehr. Sie behaupten, Gott hat sie ins Meer versenkt. Sie sagten, wenn ich glaube, ich sei dort aufgenommen worden, dann sei das nur Zauberei und Blendwerk des Bösen gewesen…« Die Alte schwieg und kicherte in sich hinein.
    Igraine wartete geduldig. Schließlich fragte sie: »Erzähle mir von der Herrin von Avalon. Hast du sie gesehen?«
    »O ja, ich habe sie gesehen. Sie ist nicht wie Ihr, sie ist eine Fee, klein und dunkel…« Die Augen der Frau leuchteten auf und wurden klar. »Jetzt erinnere ich mich an die Botschaft. Sie sagte zu mir, richte meiner Schwester Igraine aus, sie soll ihre Träume nicht vergessen und die Hoffnung nicht verlieren. Ich lachte darüber, hi, hi, hi, wozu sind Träume gut, außer vielleicht für Damen in großen Burgen. Uns nutzen sie wenig, die wir im

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