Die neue arabische Welt
Menschheit der
Adressat dieser besonderen göttlichen Offenbarung«, so der Tübinger Islamhistoriker Heinz Halm.
Zwölf Jahre predigte Mohammed in Mekka, konnte aber nur ein Häuflein von Anhängern um sich scharen. Die Mehrheit des herrschenden Kuraisch-Stammes begegnete dem Propheten mit wachsender Feindseligkeit. Er wollte ihnen ja nicht nur die althergebrachten Götter ausreden, sondern drohte auch das einträgliche Geschäft mit den zu diesen nach Mekka pilgernden Besuchern zu verderben.
Im Jahr 622 musste Mohammed mit seinen Getreuen fliehen, die ihren Glauben »Islam« nannten, was »Ergebung« (in Gottes Willen) bedeutet; sich selbst bezeichneten sie als »Muslimun«, (Gott-)Ergebene. Zuflucht fanden sie in der Oasenstadt Jathrib, später Medina genannt, 350 Kilometer nordwestlich von Mekka. Dort waren mehrere Stämme miteinander tief verfeindet. In solchen Fällen wurde auf der Arabischen Halbinsel nicht selten ein neutraler Schlichter von außen herbeigerufen. Und eine starke Persönlichkeit wie der in Mekka missliebige Mohammed schien die richtige Wahl.
Der Prophet avancierte zum Oberhaupt von Medina, wo sich die muslimische Gemeinde (»Umma«) schnell vergrößerte. Wie ein Stammesscheich hatte Mohammed nun ganz praktische Probleme politischer, sozialer und juristischer Art zu lösen; in Mekka hatte er sich nur um die Verkündigung gekümmert. So verbanden sich bei der arabischen Geburt des Islam Glaube und Gemeinwesen früh unauflöslich. Die zahlreichen damals entstandenen Koranverse, die Regeln für Alltagssituationen beschreiben, belegen das.
Vergebens versuchte der mekkanische Kuraisch-Stamm, die islamische Urgemeinde von Medina auszulöschen: Unter dem Befehl des Propheten, der sich nun auch als militärischer Führer bewährte, schlugen die Muslime ihre Angreifer
in mehreren Schlachten. Schließlich ergaben sich die Kuraisch, übergaben Mekka und traten zum Islam über.
Immer mehr arabische Stämme schlossen sich der neuen Bewegung an, die im Namen des einzigen Gottes eine gerechte Gesellschaft der Gleichen verhieß. Als Mohammed 632 starb, war die gesamte Arabische Halbinsel erstmals seit Menschengedenken vereint – unter dem Banner des Islam.
Einen Nachfolger hatte der Prophet nicht bestimmt. So wählte sich die junge muslimische Gemeinde den alten Mohammed-Gefährten Abu Bakr zum neuen Oberhaupt, als »Stellvertreter« (»Chalifa«) des Propheten. Abu Bakr war sogleich mit einer existentiellen Bedrohung der jungen Religion konfrontiert, denn etliche arabische Stämme verweigerten ihm die Gefolgschaft. Ihre Loyalität habe allein Mohammed gegolten, erklärten sie und stellten die Zahlung der Armenabgabe (»Sakat«) nach Medina ein. Weil die aber zu den Grundgeboten des Islam gehört, erklärte Kalif Abu Bakr die Meuterei zum »Abfall vom Islam« (»Ridda«).
Hätte jene Abspaltungsbewegung Erfolg gehabt und die alten Stammesrivalitäten der Araber zurückgebracht, wäre der Glaube des Propheten womöglich eine regionale Episode geblieben, statt eine Weltreligion zu werden. Doch Kalif Abu Bakr warf den Aufstand in den »Ridda-Kriegen« militärisch nieder und vereinte die Arabische Halbinsel erneut im Zeichen des Islam.
Nach nur zweijähriger Amtszeit starb der erste Kalif. Sein Nachfolger Umar, auch er ein alter Mohammed-Gefährte, formte den Islam als politische Ideologie und erwies sich als exzellenter Militärstratege; im Jahrzehnt seiner Führung bis 644 entstand ein Riesenreich.
Große Teile entrissen die Araber zwei scheinbar übermächtigen Nachbarn. Rund ums Mittelmeer herrschte
damals das oströmische oder byzantinische Reich. Nordöstlich breitete sich das sasanidisch-persische Reich aus. Die Muslime konnten es selbst kaum fassen, dass sie, wohl im Jahr 636, Byzantiner wie Sasaniden kurz nacheinander vernichtend schlugen; sie führten ihre Triumphe auf einen göttlichen Heilsplan zurück. Einen ausdrücklichen Missionsauftrag formuliert der Koran allerdings nicht. So gilt das religiöse Element auch nur als eines von vielen dieser beeindruckenden Machtexpansion.
644 waren ganz Arabien, ein Teil des Sasanidenreiches und die syrischen und ägyptischen Provinzen der Byzantiner erobert. Und um die Mitte des 7. Jahrhunderts stießen die Wüstensöhne, nachdem sie von byzantinischen Gefangenen den Schiffbau gelernt hatten, auch mit Flotten im Mittelmeer vor. Sie begannen, Sizilien anzugreifen, und vernichteten im Jahr 655 eine byzantinische Armada vor der Küste
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