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Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gewesen, sein Nachfolger zu sein, denn es gibt nur zwei Dinge, die einen Traumvater antreiben können: zum einen völlige Verderbtheit, zum anderen aber Umsicht, welche die Zusammenhänge der Geschichte begreift und über das Schicksal einzelner hinausschaut. Der Sieger in diesem Komplott hätte eine dieser Eigenschaften innehaben sollen. Zumindest nahm der Vater das an. Entweder würde der Mörder übrigbleiben oder aber derjenige, der ihn besiegte.«
    »Aber das seid Ihr, Meister.«
    Er nickte und grübelte eine Weile. Dann sagte er: »Auch ich habe versagt. Ich habe mich wie alle anderen vom Glanz der Krone blenden lassen. Ich mag nicht Nicholas’ Grausamkeit besitzen, doch fehlte mir die nötige Bedachtsamkeit. Mir ging es allein um den Schatz.«
    »Und das hat den Traumvater enttäuscht?«
    Faustus lächelte bitter. »Ein Begriff wie Enttäuschung ist ihm fremd. Er sieht nur das, was ist – und das, was die Menschen sich wünschen, das wäre. Er lebt in unseren Träumen, Wagner, und Träume enttäuschen uns nicht. Sie mögen uns entsetzen oder erfreuen, doch sie nehmen uns keinen unserer Wünsche. Im Traum schaffen wir Illusionen, aber wir betrauern sie nicht. Deshalb gibt es nichts, das den Traumvater enttäuschen könnte.«
    Ich war nicht sicher, ob ich seine Worte verstanden hatte. »Trotzdem hat er auf einen Nachfolger verzichtet.«
    Faustus hob die Schultern. »Er wird weiter suchen, in anderen Ländern, an anderen Orten.«
    »Dann wird es dort weitere Morde geben?«
    »Der Traumvater ist klug. Er weiß seine Spuren zu verwischen. Es wird aussehen wie Gier oder Mißgunst oder Eifersucht. Der Vater bestimmt den Ort, und er bereitet ihn vor, genau wie hier. Er bringt Hafer für die Pferde und Decken für die Nacht. Und er bringt den Tod. Allen, bis auf einen.«
    Vor uns auf der Straße bewegte sich etwas. Etwas glitt von links nach rechts über den Weg, und als der Schatten wieder im hohen Gras entschwand, da hatte er etwas zurückgelassen, gleich vor den Pferden. Wir zügelten die Tiere und blickten zum Boden.
    Dort lag, von Bißwunden gräßlich entstellt, mit zerrissenem Fell und leerem Blick, Walpurgas Hexenkatze.
    »Das war Mephisto«, sagte Faustus. »Er muß sie bis zuletzt gejagt haben. Jetzt ist er wieder bei uns.«
    Ich schaute mich um, ließ meinen Blick über die rauschenden Grashänge schweifen, doch da war nichts, nur eine Schneise zwischen den Halmen, dort, wo Mephisto verschwunden war.
    Und da erinnerte ich mich an die wichtigste Frage von allen.
    Ich nahm mir Zeit bis zum Abend, ehe ich sie stellte.
    »Was ist es, das Euch in Wahrheit mit dem Traumvater verbindet?«
    Faustus sah mich an, doch seine Verwunderung war schlecht gespielt. »Wie meinst du das?«
    »Ihr wißt, was ich meine. Da ist mehr als nur Eure Lehrzeit bei ihm. Er hatte einen Hund wie Mephisto bei sich.«
    Das Gewitter war an uns vorübergezogen, doch in seinem Gefolge schob sich die Nacht über das Land. Unter einer Linde, irgendwo in den Weiten der einsamen Lausitz, machten wir Rast. Während die ersten Sterne im Schwarz des Himmels erstrahlten, entfachten wir am Boden ein Lagerfeuer, hüllten uns in unsere Decken und starrten schweigend in die prasselnden Flammen. Meine Frage waren die ersten Worte seit Stunden.
    Angelina blickte auf und sah erst zu mir, dann auf Faustus. Sie nickte, als wollte sie sagen: Es ist längst an der Zeit für die Wahrheit.
    Faustus holte tief Luft und blickte hinauf zu den flackernden Sternen, als befürchtete er, etwas könnte ihn aus dem schwarzen Abgrund über unseren Köpfen beobachten. Einen Moment lang war es, als verdrängte der kalte Mondschein das gelbe Glühen des Feuers von seinem Gesicht. Ein weißer Glanz kroch über seine Züge, nur einen Augenblick lang, dann war es vorbei. Der Schein des Feuers kehrte zurück, und mit ihm Wärme und das vage Gefühl von Sicherheit.
    Faustus stand langsam auf und trat an seine Satteltaschen. Aus einer zog er einen hölzernen Stab hervor, etwa so lang wie mein Unterarm. Er reichte ihn mir.
    »Was ist das?« fragte ich.
    Er lächelte flüchtig. »Oh, ich benutze ihn als Zauberstab wenn ich auf der Bühne stehe, aber tatsächlich ist es nur eine Art Andenken. Etwas, das ich mitgebracht habe von einer weiten Reise, auf der ich auch den Traumvater traf.«
    Ich betrachtete den Stab genauer. Er endete in einem hölzernen Hundeschädel mit spitzer, langgestreckter Schnauze und schmalen, aufrechtstehenden Ohren. Er sah aus wie Mephisto. Der Kopf saß auf

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