Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
was Ihr Euch erhofft, werdet Ihr finden.)
Hunderte von Menschen schwärmten über den Bauplatz. An vielen Stellen arbeiteten sie unter freiem Himmel, nur hier und da hatte man eng gedrängte Bauhütten errichtet. Steinmetze und Steinbrecher, Bildhauer und Mörtelmischer, Maurer und Dachdecker, Schmiede, Zimmerleute und Glasbläser – sie alle waren emsig bei der Arbeit, selbst wenn einige von ihnen vermutlich nicht mehr erleben würden, dass die von ihnen gefertigten Bauteile Verwendung fanden. So mochten etwa noch fünfzig, sechzig Jahre ins Land gehen, bevor die Dächer errichtet würden; trotzdem waren Dachdecker schon jetzt dabei, Ziegel zu brennen, Balken zu verzieren und Stützwinkel herzustellen, die erst viel später von ihren Nachfolgern verarbeitet werden würden. Jeder aber wollte Teil dieser gigantischen Arbeit sein, wollte das Seine dazu beitragen, zum Ablass seiner Sünden, zum Lobpreis des Herrn – und zum Segen des eigenen Geldbeutels.
An den halb abgerissenen Wänden der alten Basilika hatte man Gerüste errichtet, gewagte Konstruktionen aus Stangen und Brettern; dazwischen hingen Plattformen aus Weidenflechtwerk. Winden baumelten an den Mauern herab, über die das alte Gestein zum Boden transportiert wurde. Es sollte später für den Neubau verwendet werden.
Wir zügelten unsere Pferde unweit eines Mörtelmischwerks. Über einem runden Becken im Boden war horizontal ein hölzernes Rad angebracht, von dem Stangen hinab in die graubraune Brühe aus Wasser und Mörtel reichten. Das Rad besaß vier lange Streben, die von vier kräftigen Männern mit nackten Oberkörpern vorwärts geschoben wurden, eine endlose, stumpfsinnige Kreisbewegung. Ein Mann mit bunter Mütze und Kleidung, die ganz steif war von Mörtelspritzern, beaufsichtigte die Arbeit der vier, trieb sie gelegentlich mit barschen Rufen zur Eile an oder ließ sie verschnaufen, um eine Probe des Mörtelschlamms aus dem Becken zu entnehmen und sie prüfend zwischen den Fingerspitzen zu verreiben.
»Verzeiht, Meister Mörtelmischer«, sprach Faustus ihn vom Pferd herab an. »Wo kann man sich hier melden, wenn man Arbeit sucht?«
Der Mörtelmischer, ein fetter Kerl mit einem hängenden Augenlid, musterte uns prüfend. Er hatte sichtlich Mühe, seinen neugierigen Blick von Angelinas Ledermaske loszureißen, und auch aus anderen Richtungen wurde sie beobachtet.
»Warum suchen zwei Männer und ein Mädchen, die sich Reitpferde leisten können, Arbeit auf einem Bauplatz?«, fragt er misstrauisch.
Faustus’ Tonfall blieb höflich. »Verzeiht noch einmal, Meister Mörtelmischer, aber ich denke nicht, dass das Eure Sache sein sollte. Beantwortet mir nur meine Frage. Oder lasst es bleiben.«
Obgleich mich der grobe Kerl abstieß, fand ich doch, dass die Worte des Mischers ihre Berechtigung hatten. Auch ich verstand nicht, warum mein Meister sich nach Arbeit erkundigte. Wir waren nicht nach Rom gekommen, um uns krumm zu schuften. Andererseits zweifelte ich nicht daran, dass Faustus einen seiner klugen Pläne verfolgte.
»Nun«, meinte der Mörtelmeister und ließ den Blick seines gesunden Auges über Angelinas schlanken Körper streifen, »ich schätze, ich hätte Arbeit für die da. Sie könnte meinen Männern … nun, das Wasser reichen.«
Einer der Kerle am Mörtelrad lachte grobschlächtig.
Ich lenkte mein Ross unwillkürlich ein wenig näher an Angelina heran und legte eine Hand aufs Schwert.
Der Mörtelmeister grinste Faustus an. »Nun, was sagt Ihr?«
Ich dachte triumphierend, dass mein Meister ihm nun wohl mit aller Schärfe – am besten mit der Schärfe seiner Klinge – klarmachen würde, was er von derlei Angeboten hielt. Doch zu meinem Entsetzen sagte Faustus nur: »Ich suche keine Arbeit für das Mädchen, sondern für meinen jungen Freund.« Und damit wies er – auf mich!
Während ich mich noch von dem Schreck erholte, fragt Faustus: »Glaubt Ihr, es ließe sich etwas finden?«
Der Mörtelmeister wandte sich zu den vier Arbeitern am Rad um. »Was sagt ihr – soll er euch das Wasser reichen?«
Unter Gelächter winkten die Kerle ab, und einer machte eine Bemerkung in starkem Dialekt, die ich nicht verstand.
»Aber … Meister …«, begann ich, doch Faustus winkte ab, ohne seinen Blick von dem fetten Mann zu nehmen.
Mein flehender Blick kreuzte den Angelinas, aber sie zuckte nur die Achseln.
»Der junge Bursche sucht dringend Arbeit hier auf dem Bauplatz«, sagte Faustus, und jedes Wort traf mich wie ein giftiger
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