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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Schaulustigen, die sich mittlerweile in großer Zahl eingefunden hatten. Viele lächelten zufrieden. Der Mörtelmeister war offenbar kein beliebter Mann auf dem Bauplatz.
    Allerdings sah ich auch, dass einige miteinander tuschelten und immer wieder verwunderte Blicke auf Angelina warfen, auf die Ledermaske, die ihren ganzen Kopf mit Ausnahme der Augen und Lippen bedeckte.
    »Es ist nicht gut«, wiederholte Faustus zwischen zusammengebissenen Zähnen.
    Angelina beugte sich leicht vor, so als bereite sie sich auf einen Sprung vor. Der Mörtelmeister quiekte wie ein Schwein, machte einen weiteren Schritt, stolperte über den Rand des Beckens – und stürzte rückwärts in die dickflüssige Mörtelbrühe. Mit einem Schrei tauchte er unter, erhob sich dann wieder, jetzt ganz in Grau, ein lehmiger Golem ohne Gesichtszüge, während der Mörtel von seinen Gliedern troff und die umstehende Menge in lautes Gelächter ausbrach.
    Angelina wandte sich ab, als sei nichts geschehen. Über die vier Mörtelmischer hinweg ging sie zurück zu ihrem Pferd. Keiner der Männer wagte, sie anzurühren. Sie glitt in den Sattel und ließ das Tier vorwärts traben.
    Als sie zu uns aufschloss, erwartete ich, dass mein Meister sie zurechtweisen würde, doch er schwieg. Mit einem flüchtigen Wink gab er mir zu verstehen, den Weg zur Zahlstelle fortzusetzen.
    Ich hörte den Mörtelmeister hinter unserem Rücken wimmern wie ein Kind, während sich irgendwer erbarmte und ihm half, das Becken zu verlassen.
    Die Menge verlief sich so schnell, wie sie sich zusammengefunden hatte, und dann waren wir auch schon zu weit entfernt, um das Treiben am Mischwerk weiterzuverfolgen. Angelina ritt mit erhobenem Haupt neben uns, würdigte weder Faustus noch mich eines Blickes.
    Mein Meister brütete still vor sich hin, und mir kam wieder in den Sinn, was er mir zugedacht hatte.
    »Herr, ich weiß, der Augenblick ist nicht der beste, aber …«
    »Das Herz der Kirche, Wagner«, brummte er. »Was sagt dir das?«
    »Das Herz der Kirche … Nun, ich schätze, wir befinden uns gerade mitten drin.«
    »So ist es.« Er nickte zufrieden, so als hätte ich eine besonders schwere Rechenaufgabe bewältigt. »Der Vatikan. Hierher hat uns der Ägypter gesandt. Hier ist der Mann gestorben, von dem er sprach. Der Filius.«
    »Aber der Vater und der Sohn und der Heilige Geist sind keine Menschen « , erwiderte ich.
    Er hob lakonisch eine Braue. »So, so, Wagner – gut, dass du es erwähnst.«
    »Verzeiht, ich wollte Euch nicht kränken.«
    »Man hat gerade mit Schlamm nach mir geworfen, mein Lieber. Wie könntest du mich da kränken? Nein, Wagner, dein Einwand ist berechtigt – oder er wäre es, unter gewöhnlichen Umständen. Aber dies sind sonderbare Zeiten, dies ist eine wundersame Stadt, und unser Abenteuer ist … nun, zumindest höchst ungewöhnlich, nicht wahr?«
    »Gewiss, Herr.«
    »Wir werden also herausfinden, was für ein Mann hier im Vatikan gestorben ist – welcher Filius!«
    »Ihr glaubt also tatsächlich, es handelt sich dabei um eine echte Person?«
    Er nickte. »Bei ihm genauso wie bei jenem Dominus und dem Spiritus, von denen der Ägypter sprach. Ich werde versuchen, meine Verbindungen im Papstpalast spielen zu lassen, während du dich hier draußen umhörst. Und zu diesem Zweck müssen wir dir wohl oder übel eine Arbeit auf dem Bauplatz besorgen, meinst du nicht auch?«
    Ich brummte eine Antwort, von der ich hoffte, dass er sie nicht verstand.
    »Fluchen hilft nicht«, sagte er mit einem mitfühlenden Lächeln. »Wir haben uns eine Aufgabe gestellt, und wir werden sie lösen.« Er wandte sich an unsere Gefährtin. »Was denkst du, Angelina?«
    Sie nickte und warf mir einen Blick zu. Ihre blauen Augen in den Sehschlitzen der Maske waren atemberaubend schön. Es kam mir vor, als läge tiefes Bedauern darin. Und tiefe Zuneigung.
    »Einverstanden«, knurrte ich an Faustus gewandt. »Ihr seid zwei gegen einen.«
    »Ach, bester Wagner, sei nicht so ein Griesgram. Wer weiß, vielleicht lernst du hier draußen noch etwas fürs Leben.«
    »Ja, Herr. Gewiss, Herr.«
    Faustus lachte über meine finstere Miene, klopfte mir aufmunternd auf die Schulter und deutete dann hinüber zur Zahlstelle. »Du solltest jetzt vom Pferd steigen. Sonst werden die Männer dort ebenso misstrauisch wie unser guter Freund im Mörtelbad.«
    Ich tat, wie mir geheißen, drückte Angelina übellaunig die Zügel in die Hand und stapfte auf die Zahlstelle zu. Die beiden anderen blieben

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