Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
bewundern.«
»Nicht seine Verbrechen. Nur seinen Genius. Seine Zielstrebigkeit. Du würdest anders über ihn denken, hättest du ihn gekannt. Er trug eine Maske wie deine junge Freundin, weil ihm die Syphilis das Gesicht zerfressen hatte. Aber hinter dieser Maske, hinter dem zerstörten Gesicht, sogar hinter all dem Bösen und Triebhaften seines Wesens, da war ein Geist … ein grenzenloser, gottloser, genialer Geist, Faustus! Ein Mann wie du hätte endlose Gespräche mit ihm führen können. Und du hättest ihn gemocht. Zumindest einen Teil von ihm. Jenen Teil, der dir so ähnlich ist.«
Faustus starrte Pamphili lange an, bis der Bibliothekar seinem Blick nicht mehr standhalten konnte und schuldbewusst zu Boden sah. »Was genau hat er getan?«
Ein kühler Wind strich über den Fluss heran. Der alte Mann rieb sich fröstelnd die Hände. »Er hat ein Pantheon erschaffen. Ein Pantheon aus Menschen, um darin wieder geboren zu werden.«
»Ein … Pantheon?«
»Kinder, Faustus. Er ließ Kinder heranbringen, von überall. Aus ihnen wählte er drei aus. Der Rest von ihnen wurde in den Katakomben eingeschlossen und zu Engeln ausgebildet, zu Kriegern des Herrn. Aber mit jenen drei hatte er einen anderen Plan. Die Kräfte, die er heraufbeschworen hatte, sollten ihm dabei behilflich sein.«
Faustus begriff allmählich. »Die lebende Dreifaltigkeit. Der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.«
»Ja«, sagte Pamphili mit einem Nicken. »Die Dreifaltigkeit. Die Herrscher über den Himmel. Diese drei Kinder waren Auserwählte, in denen er sich selbst, seine Tochter Lucrezia und seinen missratenen Sohn Cesare wieder auferstehen lassen wollte. Es war alles bis ins Letzte geplant. Alexander hatte erkannt, dass der Himmel, wie die Kirche ihn sich seit jeher vorstellt, nicht existiert. Kein Gott, Faustus, kein Sohn und kein Heiliger Geist. So beschloss er, einen eigenen Himmel, ein eigenes Pantheon zu errichten. Er wollte die drei Kinder zu einer neuen Dreifaltigkeit erheben, greifbar für die Menschen, keine fernen Wesenheiten, an die zu glauben selbst uns im Vatikan mit jedem Tag schwerer fällt. Nein, aus Fleisch und Blut sollten sie sein. Ein Kind als Dominus, eines als Filius und eines als Spiritus Sanctus. Mit Hilfe der Magie wollte Alexander seinen eigenen Geist in den neuen Herrn übertragen, den Cesares in den Sohn und den Lucrezias in den Spiritus. Und, glaub mir, Faustus, er hatte die Mittel dazu! All die Beschwörungen, die Schwarzen Messen, die Opferungen, sie hatten einen Grund. Der Borgia hatte sich durch sie Verbündete erkauft, Verbündete von jenseits unserer Wirklichkeit.«
»Die drei Borgias wollten als neue Dreifaltigkeit über eine Armee von Engeln herrschen«, murmelte Faustus. »Und damit über die Welt.«
Pamphili winkte ab. »Ein neuer Glaube – das war das Ziel. Ein einziger Glaube für die Welt, eine einzige Gottheit.«
»Wie es scheint, habe ich Alexanders Größenwahn tatsächlich unterschätzt – auch wenn das schwer vorstellbar ist.«
Die Miene des Bibliothekars verfinsterte sich. »Größenwahn? Vielleicht. Aber seine Ziele hatten einen höheren Sinn. Die Rückkehr des einen reinen Glaubens. Ein neues Christentum.«
Faustus gefiel der Tonfall seines alten Freundes nicht, aber bevor er ihn damit konfrontierte, wollte er die ganze Wahrheit erfahren. »Trotz allem ist der Plan des Borgias missglückt.«
Pamphilis Mundwinkel zuckten. »Nicht wirklich.«
»Das ist nicht dein Ernst!«
»Der Plan wurde verändert, gewiss. Es gab … unverhoffte Schwierigkeiten. Die beiden größten waren Lucrezia und Cesare. Um in den neuen Körpern wieder geboren zu werden, hätten sie zuerst sterben müssen. Aber beide waren nicht bereit dazu, so groß war ihr Vertrauen in die Kräfte ihres Vaters nicht. Es gab Streit, und beide wandten sich von Alexander ab. Cesare ging nach Spanien und trat in den Dienst des Königs von Navarra, wo er 1507 ums Leben kam. Auch Lucrezia verließ den Vatikan. Sie heiratete schließlich den Herzog von Ferrara. Sie starb im vergangenen Jahr, du hast vermutlich davon gehört.«
»Und Alexander?«
»Er führte den Plan fort. 1503, ein Jahr nach dem Zug der Erleuchteten, waren alle Vorbereitungen getroffen. Selbst sein Tod war eine große Inszenierung. Du kennst die Umstände, nehme ich an. Man sagte ihm nach, er habe im zwölften Jahr seiner Amtszeit einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Sieben Dämonen sollen an seinem Sterbebett gesessen haben, in den Körpern schwarzer
Weitere Kostenlose Bücher