Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
Affen. Gerüchte, nichts als Verleumdungen. Sein Leichnam wurde bestattet wie der jedes anderen Papstes, und damit war die Herrschaft des Borgia vorerst beendet. Seine Nachfolger standen nun vor der Frage, was mit den Engelskindern zu tun sei, und um unliebsamen Entscheidungen aus dem Weg zu gehen, ließen sie die Ausbildung fortführen. Vor etwa anderthalb Jahren waren sie schließlich alt genug, um eingesetzt zu werden, und Papst Leo gab ihnen den Auftrag, alle Spuren ihrer Herkunft auszulöschen.«
Faustus nickte nachdenklich. »Sie zogen aus, alle Priester zu töten, die vom Zug der Erleuchteten wussten. Sie brannten ihre Kirchen nieder und verwischten alle Fährten. Doch eine wandte sich von ihnen ab, als sie selbst ein Opfer der Flammen wurde. Angelina.«
»Angelina?« Pamphili schmunzelte. »So nennt ihr sie? Wie passend.«
»Massimo, du musst mir die Wahrheit sagen«, verlangte Faustus eindringlich. »Was wurde aus Alexander?«
»Wie gesagt, er starb – und wurde wieder geboren. Im Körper eines der drei Kinder.«
Faustus wandte sich ab. Auf dem Fluss entdeckte er den dunklen Umriss eines Ruderboots, das sich dem Ufer näherte. Silhouetten waren zu erkennen. Bewaffnete.
»Was geschah mit den beiden anderen? Ich hörte, einer starb auf dem Bauplatz.«
Der Bibliothekar nickte. »Ihre Erziehung hatte bereits begonnen, als es zum Zwist mit Cesare und Lucrezia kam. Wie die anderen Engel blieben auch sie im Vatikan, bis weit über den Tod des Borgia hinaus, ehe irgendwem klar wurde, dass sie zu nichts zu gebrauchen waren. Sie waren erzogen worden, um zu herrschen, nicht um zu kämpfen, und so wurde beschlossen, sie zu beseitigen. Sie sollten getötet werden, doch jemand erbarmte sich ihrer und ließ sie laufen. Der Spiritus verschwand, aber der Filius wurde ein Streuner, den es schließlich zu den Arbeitern auf dem Bauplatz verschlug. Er bekam Arbeit, faselte wirres Zeug und wurde bei einer Rauferei erschlagen. Eine armselige Gestalt.«
Faustus schüttelte langsam den Kopf. »Großer Gott, Massimo … du hast all das gewusst! Die ganze Zeit über hast du es gewusst.«
»Du selbst hast mir den Weg gezeigt. Mich die Magie gelehrt. Dem Borgia hat das gut gefallen.«
»Soll das heißen …«
»Dass ich bei all dem stets an seiner Seite war, zugleich als Lehrmeister und Schüler. Ohne mich und mein Wissen hätte er nichts von all dem verwirklichen können – ohne das Wissen, dass ich dir zu verdanken habe, mein Freund. Damit ist der Borgia auch dir zu ewigem Dank verpflichtet.«
Seine Worte waren wie Dolchstöße. Jedes einzelne versetzte Faustus einen scharfen Schmerz, gepaart mit einer Wut, die immer größer und verzehrender wurde. Zugleich aber spürte er, dass die Müdigkeit, die er eben noch an Pamphili festgestellt hatte, mehr und mehr von dem alten Mann abfiel und auf ihn selbst übersprang wie eine ansteckende Krankheit. War die Erschöpfung eine Waffe, die Pamphili ganz offen bei sich getragen hatte, wie ein Fangnetz, das er jetzt von den eigenen Schultern auf Faustus herüberschleuderte? Ein magisches Fangnetz?
Der Bibliothekar wirkte jetzt fast ein wenig verlegen. »Deine eigene Beteiligung an all dem sollte dir nicht unangenehm sein. Vielmehr solltest du stolz sein. Und schau mich nicht so an! Welchen Sinn hat es, wenn du mich verabscheust? Du warst mir ein guter Lehrer, und ich habe all das Gelernte an Alexander weitergegeben. Und ein wenig mehr, versteht sich. Meine eigenen kleinen Erfolge, die ich auf der Suche nach Wissen errungen habe. Ich war nicht in allem einer Meinung mit ihm, o nein, gewiss nicht. Ich mochte seine Mittel nicht, seine Triebe, seine Skrupellosigkeit. Aber letzten Endes haben sie uns zum Erfolg geführt.«
Faustus hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. »Wo ist er jetzt?«
»An einem sicheren Ort. Der Junge, in dessen Körper der Geist Alexanders weiterlebt, ist jetzt neunzehn Jahre alt. Nicht mehr lange, und er wird einfordern, was sein ist. Es wird keinen Papst mehr geben, keine Kardinäle. Nur den Herrn. Den Dominus. Den einzig wahren Gott.«
»Den Borgia.«
Pamphili zuckte die Achseln. »Er oder ein anderer – was für einen Unterschied macht das? Die Menschen werden einen Gott erleben, der zu ihnen herabsteigt, der ihnen die Hände schüttelt, der sie begeistert. Welchen Namen er früher einmal getragen hat, ist unwichtig. Es spielt keine Rolle, was er war, wie er aussah, was man über ihn dachte. Er ist der Dominus. Der Meister über Engel und
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