Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
sogar angenehm erscheinen. Doch glaub mir, das Innere des Vatikans ist wie ein trockenes, verkrustetes Herz, das man dem Leichnam des Christentums entrissen hat. Es ist keine Wonne, dort zu leben. Nicht einmal, wenn man es versteht, sich von den meisten Ränkespielen und Intrigen fern zu halten.«
»Aber der Borgia war …«
»Mit dem Teufel im Bunde?«, fragte Pamphili amüsiert. »Das sagt man auch über dich.«
»Er war ein hundertfacher Mörder«, führte Faustus ungerührt seinen Satz zu Ende. »Er hat in den Hallen des Papstpalastes Schwarze Messen zelebriert und Menschen geopfert.«
Der Bibliothekar schmunzelte. »Erzähl mir von Ägypten, Faustus. Was ist dort vorgefallen, das weniger schlimm war als die Taten des Borgia?«
Faustus verstummte betroffen. Er wandte sich ab und ging mit zwei schnellen Schritten ans Wasser. Nachdenklich blickte er über die schwarze Oberfläche, sah den Fluten nach, wie sie Richtung Meer flossen.
Pamphili trat von hinten an ihn heran. »Lass uns nicht streiten, Freund. Du möchtest etwas von mir wissen, und ich bin gekommen, um dir Antworten zu geben.«
Der Doktor atmete scharf durch und nickte. Als er sich wieder zu dem alten Mann umdrehte, dachte er wieder, wie matt Pamphili aussah. Wie ausgebrannt.
»Was weißt du über den Zug der Erleuchteten?«
»Ich hörte, dass eine der Eluciderii an deiner Seite reist. Ist sie der Grund für deine Neugier?«
»Die Borgia-Engel haben versucht, uns umzubringen. DeAriel hat sie angeführt.«
»Satans Kardinal«, wisperte Pamphili gedankenverloren. »Die rechte Hand der Päpste.«
»DeAriel ist tot. Er und Asendorf hatten sich verbündet, um mich zu fangen.« Faustus zögerte. »Asendorf wurde …«
»Ich hörte davon«, unterbrach ihn der Bibliothekar. »Man hat ihm das angetan, was er selbst Hunderten antun ließ.«
Faustus nickte. »Er wurde zu Tode gefoltert.«
»Nein, nicht zu Tode. Konrad von Asendorf lebt – wenn man es denn so nennen will.«
»Er lebt?« Der Doktor war ernstlich erstaunt. »Ist er hier in Rom?«
Pamphili lächelte wieder, aber es wirkte bitter. »Man hat ihn hergebracht, ja. Das, was von ihm übrig geblieben ist. Deine Gauklerfreunde haben ganze Arbeit geleistet.«
»Er wurde nicht auf mein Geheiß gefoltert.«
»Du hast es nicht verhindert.«
»Asendorf hätte mit Vergnügen die gleichen Dinge mit mir angestellt.«
Der alte Mann seufzte. »Sie haben ihm die Knochen gebrochen. Ihm die Fingernägel gezogen. Sein Haar bis auf die Haut verbrannt. Sein ganzer Leib wurde zerschnitten. Und sie haben ihm die Fußsohlen abgeschält. Er wird nie wieder laufen können, auch nicht auf Krücken.«
»Es überrascht mich, dass sie ihm das Augenlicht ließen«, bemerkte Faustus kühl.
»Eines seiner Augen ist blind«, sagte Pamphili. »Aber mit dem anderen sieht er. Er hält Ausschau … Rate, nach wem, Faustus.«
»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«
»Nach dem Zug der Erleuchteten? Gewiss weiß ich davon. Die armen Kinder.«
»Was genau ist damals geschehen?«
»Vieles wirst du bereits wissen, nehme ich an. Alexander ließ den Priestern in mehreren Ländern Botschaften übermitteln, in denen er ihnen auftrug, alle Kinder mit hellblondem Haar und blauen Augen zu melden. Wurde ein Priester fündig, kamen Boten und begutachteten die Kleinen. Befand man sie für tauglich, wurden sie mitgenommen.«
»Sie wurden entführt«, stellte Faustus richtig »Und ihre Eltern und Geschwister verschwanden spurlos, damit niemand unangenehme Fragen stellte. Ganze Familien wurden ausgerottet. Aber wofür, Massimo? Was bezweckte der Borgia damit, die Kinder zu dem zu machen, was sie heute sind?«
»Er war so grandios, so beispiellos.«
»Beispiellos in seiner Grausamkeit.«
»Auch das«, bestätigte der Bibliothekar. »Ganz gewiss sogar. Aber es steckte so viel mehr dahinter. Eine so unfassbare Vision.«
»Welche Vision konnte ein Mann wie Alexander haben, die nichts zu tun hatte mit Weibern und mit Wein und mit Dingen, denen er die Syphilis verdankte?«
»Dieselbe wie du selbst, Faustus. Die Vision der Unsterblichkeit. Der Borgia wollte ewig leben. Wer kann ihm das verübeln? Und er hat einen Weg gefunden. Einen, wie er gewagter und ungewöhnlicher nicht hätte sein können. Er vollbrachte Beschwörungen, aber das hat er sein Leben lang getan. Doch dann gelang ihm eine, in deren Verlauf ihm neue … Möglichkeiten offenbart wurden. Unglaubliche Möglichkeiten!«
»Das klingt, als würdest du ihn
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