Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
Menschen.«
»Du bist genauso wahnsinnig wie er.«
Pamphilis gestrafftes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »In meinem Alter begegnet man solchen Vorwürfen mit Gelassenheit.«
Faustus bemerkte, dass das Boot näher gekommen war. An Bord war ein halbes Dutzend Männer. Keine Engelskrieger, sondern kräftige, zähe Soldaten. Sie würden jeden Moment an Land gehen. »Wirf dein Schwert weg, Faustus. Niemand hier wünscht Blutvergießen.«
Faustus zog seine Klinge, wog sie kurz in der Hand, dann rammte er sie mit einer heftigen Bewegung vor sich in den Uferschlick. »Werden sie mich zu ihm bringen? Zu Alexander?«
Der Bibliothekar lächelte nur geheimnisvoll und gab keine Antwort.
Die Männer sprangen durch das knöchelhohe Wasser heran und nahmen Faustus in ihre Mitte. Er folgte ihnen zum Boot.
Bevor er über die niedrige Reling stieg, drehte er sich noch einmal zu dem alten Mann um.
»Das Wasser«, sagte er leise.
Der Bibliothekar runzelte die Stirn. »Was ist damit?«
»Bevor du gekommen bist«, sagte Faustus. »Ich konnte es im Wasser schmecken. Es hat mir erzählt, was geschehen würde.«
»Erzählt?«
Faustus nickte. »Es schmeckt nach Verrat, Massimo. Nach Verrat unter Freunden.«
Mit diesen Worten stieg er ins Boot und blickte nicht mehr zurück.
»Warum wehrt er sich nicht?«, flüsterte ich aufgebracht.
Angelina kauerte neben mir hinter einer Mauer, von der aus wir einen guten Ausblick auf den Uferstreifen am Fuß der Engelsburg hatten. Im Mondlicht waren die Gestalten dort unten kaum mehr als silbrige Umrisse, und doch konnte ich deutlich erkennen, wie Faustus mit den Bewaffneten ins Boot kletterte. Sein Schwert stak noch immer im Boden, unmittelbar neben dem kleinen Mann, der am Ufer zurückblieb und dem Ruderboot reglos nachschaute.
»Warum springt er nicht ins Wasser und schwimmt davon?«
Ich wollte hinab zum Ufer laufen und meinen Meister befreien, doch Angelina legte eine Hand auf meine Schulter und hielt mich zurück. Es war noch nicht lange her, da hatte sie allein fünf Engelskrieger besiegt, vielleicht sogar mehr. Gewiss würden wir es gemeinsam mit den Männern dort unten aufnehmen können. Warum also zögerte sie?
Insgeheim kannte ich natürlich die Antwort. Es war Respekt, der sie zurückhielt. Respekt vor Faustus’ Entscheidung. Es war nicht zu übersehen, dass er sich den Bewaffneten aus freien Stücken angeschlossen hatte. Er wusste, was er tat. Und es konnte nicht an uns sein, seinen Entschluss infrage zu stellen.
Aber was hatte er vor? War es Teil eines schlauen Plans? Verdammt, so musste es einfach sein! Mein Meister war kein Mann, der einfach die Waffen streckte.
Und doch – ein Zweifel blieb. Er hatte so gleichgültig ausgesehen, so, als hätte er sich tatsächlich geschlagen gegeben. Und welche Rolle spielte der kleine alte Mann, der jetzt ans Wasser trat, einen Finger hineinsteckte und ihn an die Lippen führte?
Angelina erhob sich langsam. Auch ich stand auf und blickte dem Boot hinterher, das jetzt bereits die Mitte des Flusses erreicht hatte.
»Packen wir uns den Kerl?«
Angelina erwiderte meinen Blick nicht, deutete nur mit einem Nicken zum Ufer hinunter.
Der kleine Mann war verschwunden.
»Aber …«, begann ich, doch Angelina legte sanft einen Finger an meine Lippen und schüttelte den Kopf.
Wir schauten uns suchend nach Soldaten um, doch der Weg hinter der Mauer war verlassen. Auch von den Zinnen der Engelsburg aus würde man uns schwerlich erkennen können. Wir hatten im Gasthof den Leichengestank von unseren Körpern gewaschen, wenigstens so weit das möglich war, und frische Kleidung übergezogen. Wir trugen jetzt beide Hemden aus dunklem Stoff und schwarze Beinkleider. In der Nacht war das eine angemessene Tarnung.
Wir liefen eine schmale Rampe aus festgetretenem Erdreich hinunter und erreichten den Uferstreifen. Er war etwa fünfzehn Schritte breit, dahinter wuchs das geschwärzte Mauerwerk der Festung empor. Ihre Kerker waren die gefürchtetsten weit und breit. Mit galligem Humor dachte ich, dass es uns gut zu Gesicht stehen würde, auch ihnen einen unfreiwilligen Besuch abzustatten – nach unserem Aufenthalt in Venedigs Bleikammern hätten wir damit das zweite der beiden verschriensten Verliese Italiens kennen gelernt. Wir hätten darauf anstoßen können, mit brackigem Wasser aus Holznäpfen. Was für ein Triumph!
Fußspuren im Schlick zwischen den Ufersteinen führten uns zu der Stelle, an der Faustus sich mit seinem Freund Massimo
Weitere Kostenlose Bücher