Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
über seine Vergangenheit, Einzelheiten, die der Kirche zu Ohren gekommen waren und die doch unzusammenhängend und willkürlich waren. Faustus erkannte schnell, dass hier nur geprüft werden sollte, ob er tatsächlich derjenige war, für den er sich ausgab. Andererseits spürte er, dass de Rossi wenig Zweifel daran hatte. Vielmehr schien dem Kardinal mehr als unwohl in seiner Rolle zu sein. Selbst ein Mann wie er traf nicht jeden Tag auf jemanden, von dem erzählt wurde, er habe einen Pakt mit dem Leibhaftigen geschlossen. Mut war keine der Eigenschaften, die einen Geistlichen zum hohen Würdenträger qualifizierten. De Rossi bildete keine Ausnahme.
Die Befragung endete schneller, als Faustus erwartet hatte, und bald verkündete ihm de Rossi, dass Seine Heiligkeit selbst ihn zu sprechen wünsche. Man werde Faustus für diese Begegnung in Ketten legen, sagte er, mit einem Rosenkranz umwickeln und mit Weihwasser besprenkeln. Der Doktor erklärte sich mit all dem höflichst einverstanden, ganz so, als hätte man ihm eine Wahl gelassen.
Es war noch immer früh am Morgen, als man ihn derart ausstaffiert wie einen gefangenen Dämon aus den Kerkern hinauf in die edleren Gemächer des Papstpalastes führte. Seine Beine waren frei, doch die Arme hatte man ihm schmerzhaft auf den Rücken gekettet. Seine Kleidung war feucht vom vielen Weihwasser, mit dem man ihn großzügig bespritzt hatte, und eine der Schlingen des Rosenkranzes lag fest um seinen Hals. Zudem gingen vor ihm zwei Jungen und schwenkten Räucherbecken mit Weihrauch. Er hatte den Geruch schon früher nicht ertragen können, und heute bereitete er ihm besondere Übelkeit.
Ihm war schlecht, er bekam kaum Luft, und die Ketten schnitten schmerzhaft in sein Fleisch – und doch hätte Faustus nicht zufriedener sein können. Der erste Teil seines Plans war gelungen.
Ein achtköpfiger Gardistentrupp begleitete ihn, darunter die beiden Armbrustschützen, die hinter ihm gingen. Er hoffte inständig, dass keiner von beiden stolperte.
Man führte ihn in einen der kleineren Audienzsäle des Papstes. Wände und Decken waren mit frommen Malereien geschmückt. Der Thron am anderen Ende der Halle drohte in einer Flut von Kissen zu versinken. Weitere Bewaffnete warteten bereits, und allmählich begann Faustus sich ob all dieses Aufwands geschmeichelt zu fühlen. Es war tatsächlich, als führe man Leo den Teufel selbst vor, nicht einen seiner angeblichen Diener.
De Rossi hatte ihn nach dem Verhör verlassen, doch nun begegneten sie einander erneut, als der Kardinal durch eine Seitentür hereinkam, vor einen Platz neben dem Thron trat und den Heiligen Vater persönlich ankündigte.
Leo X. war ein schwerer Mann mit mächtigem Doppelkinn und weichen, weibischen Zügen. Nicht anders hatte Faustus ihn sich vorgestellt. Lediglich seine feinen Finger überraschten ihn, schmalgliedrig und lang wie die eines Spielmanns. Er trug prachtvolle Gewänder und eine samtene Kopfbedeckung. Ringe unter seinen Augen verrieten, dass er wenig geschlafen hatte – der Tribut an die nächtelangen Gelage im Kreise seiner Vertrauten.
Obwohl kein echter Anlass zu dieser Befürchtung bestanden hatte, war Faustus doch erleichtert, als er sah, dass Pamphili nicht unter dem Gefolge des Papstes war. Tatsächlich betraten gemeinsam mit Leo nur zwei Küchenjungen den Saal. Der eine trug eine bauchige Weinflasche und einen Becher, der andere eine silberne Platte mit Obst.
Der Heilige Vater nahm Platz. Auch Kardinal de Rossi setzte sich. Der Junge mit dem Obst zwängte sich zwischen die beiden, der mit dem Wein bezog Stellung auf der anderen Seite des Throns.
Leo nahm einen Schluck aus dem Becher, leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen und beugte sich dann ein wenig vor, um einen besseren Blick auf seinen Gefangenen werfen zu können. Faustus stand etwa fünf Schritte vor ihm, flankiert von den Gardisten und Armbrustschützen. Bei aller Selbstsicherheit, die Leo auszustrahlen suchte, erkannte Faustus doch, dass die Hände des Papstes zitterten.
»Ihr seid Doktor Johannes Faustus?«
»Der bin ich.«
Der Papst nickte langsam, so als habe ihn bei den Worten eine seltsame Benommenheit ergriffen. Vielleicht hatte er gehofft, es mit einem Betrüger zu tun zu haben.
Er war kein Mann großer Entschlussfreudigkeit, und der Umgang mit einem Ketzer wie Faustus durfte nicht leichtfertig erfolgen. Ihn auf die Schnelle hinzurichten, mochte ein Fehler sein. Es war durchaus angebracht, für den Tod eines
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