Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
zugleich hieb Angelina mit ihrem Schwert auf das seine ein und entwaffnete ihn. Scheppernd fiel seine Waffe zu Boden. Mit einem Fußtritt beförderte ich sie aus seiner Reichweite.
Ich wusste jetzt, warum Angelina die Männer angegriffen hatte. »Sag«, verlangte ich und drückte dem Riesen meine Schwertspitze unters Kinn, »wohin habt ihr euren Gefangenen gebracht?«
Schweiß perlte von seiner Stirn, lief in seine Augen. Doch der Mann blinzelte nicht einmal. Hasserfüllt starrte er mich an. Offenbar fiel es ihm leichter, in mir – einem Mann – seinen Bezwinger zu sehen, als in einem maskierten Mädchen mit den Armen einer Tänzerin. Er beachtete Angelina mit keinem Blick, ebenso wenig ihr Schwert, das auf seine Brust gerichtet war.
»Ich weiß nicht, wen ihr meint.«
Das war die Antwort, die ich erwartet hatte. Zu viele Kämpfe unter ähnlichen Bedingungen, zu viele Begegnungen mit Dummköpfen wie ihm, die ihren Stolz über ihr Leben stellten. Zumindest eine Weile lang. Immer das Gleiche.
Angelina holte aus und zog ihm die Schwertspitze in einer raschen Bewegung über die Brust. Der Stoff seines Wamses klaffte auf, und mit ihm die blondbehaarte Haut darunter. Sofort färbte sich der Schnitt dunkelrot. Es war keine tiefe Wunde, nur ein Kratzer, doch er reichte aus, um den Riesen gefügig zu machen.
»Er ist fort. Geflohen.«
»Geflohen!«, entfuhr es mir und beinahe hätte ich vor Erleichterung das Schwert sinken lassen. Ich räusperte mich verlegen und fragte mit neuer Entschlossenheit: »Sagst du auch die Wahrheit, Hund?«
Angelina verdrehte die Augen, aber ich tat, als hätte ich es nicht bemerkt. Gönnte sie mir denn gar keinen Triumph?
Der Nordmann starrte mich weiterhin an. »Ihr sucht am falschen Ort nach ihm. Hier werdet ihr den dürren Kerl nicht finden.«
»Du solltest mehr Respekt vor meinem Meister zeigen«, warnte ich ihn.
»Dein Meister « , sagte er abfällig, »hat einen hilflosen Kranken in seinem Bett erdrosselt. Wie viel Respekt verdient ein Mann für eine solche Tat?« Trotz der Schwertspitze unter seinem Kinn wandte er den Kopf und spuckte aus, direkt vor Angelinas Stiefel.
Einen Kranken erdrosselt? Faustus? Er musste einen wahrhaft guten Grund gehabt haben. Meine Gedanken überschlugen sich: Wenn der Meister tatsächlich geflohen war, mussten wir so schnell wie möglich verschwinden. Aber wie konnten wir sicher sein? Der Kerl mochte uns belügen – wie ich selbst es zweifellos an seiner statt getan hätte – ja, Faustus mochte immer noch hier sein, in Ketten gelegt, dem Tode nah. Wir konnten jetzt nicht einfach davonlaufen, nur aufgrund der schalen Hoffnung, dass unser Feind die Wahrheit sagte.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung, hinter uns, in der Mitte des Hofes.
Zwischen den Toten stand eine Gestalt. Klein wie ein Kind und doch mit dem Gesicht eines Erwachsenen. Verschoben, mit viel zu großem Kopf und verwachsenen Fingern. Ich erkannte ihn sofort.
Asendorfs Bibelzwerg blickte uns hasserfüllt an. Langsam hob er die rechte Hand und richtete seinen viel zu kleinen Zeigefinger auf uns, eine stumme Geste der Anklage.
Der Nordmann begann leise zu lachen.
Oben auf der Balustrade klirrte Stahl auf Stahl, als Bewaffnete durch eine Tür strömten und sich hinter dem Geländer verteilten. Auch durch die beiden Eingänge zum Innenhof kamen Männer mit gezückten Klingen, langsam, so als warteten sie noch auf den Befehl zum Angriff.
Unser Gefangener fand neuen Mut. Er wollte Angelina am Arm packen und ihr die Wunde in seiner Brust heimzahlen, doch meine Gefährtin war schneller. Ungeachtet der Übermacht an Gegnern rammte sie ihr Schwert in seine Brust. Sterbend sank der Mann zu Boden, doch Angelina sah schon gar nicht mehr hin. Sie hatte ihn mit solcher Beiläufigkeit getötet, dass sich selbst auf den Gesichtern der Männer im Hof eine Spur von Schrecken und Respekt abzeichnete.
»Wir haben Gäste«, ertönte da eine Stimme von oben. Als ich den Blick hinauf zum Geländer wandte, sah ich, dass noch jemand die Balustrade betreten hatte, unbewaffnet, gekleidet nur in ein weißes Lendentuch. Der Borgia gefiel sich selbst viel zu sehr in seinem neuen Körper, als dass er seinen jungenhaften Leib unter Stoffen verborgen hätte. Bereits zu seiner Amtszeit war seine Vorliebe für unbefleckte Knaben legendär gewesen, und nun gab er dem Wort selbstverliebt eine gänzlich neue Größe. Gewiss waren seine Gemächer reich an Spiegeln.
Sein Blick kreuzte den Angelinas.
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