Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler
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Taiwo selbst hingegen zeigt sich im Roman ambivalent, was ihr Aussehen betrifft. Ihre Schönheit macht sie nicht glücklich, so sehr sie auch zu narzisstischer Selbstbewunderung neigt. Vielmehr empfindet sie ihr ÃuÃeres, das sofort alle Blicke auf sich zieht, nicht selten als belastend im Umgang mit anderen Menschen. Taiwos Grundstimmung im Leben: Sie fühlt sich begehrt, bewundert, beneidet, aber einsam.
Dass Taiye Selasi ihre eigene, höchst persönliche Schönheitsproblematik in ihre Romanfigur eingeschrieben hat, ist nur ein Aspekt ihres Erstlingsromans. Auch in manch anderer Hinsicht orientiert sich die Autorin in «Diese Dinge geschehen nicht einfach so» an den Eckdaten ihrer eigenen Biographie und denen ihrer Familie.
Taiye Selasi ist das ältere von Zwillingsmädchen in einer Familie westafrikanischer Akademiker, die es in die privilegierte Klasse afrikanischer Kosmopoliten geschafft hat. Sie ist in London geboren und in Brookline, Massachusetts, nahe Boston aufgewachsen. Beide Eltern sind Ãrzte und Bürgerrechtler und leben heute in Ghana. Der Vater stammt aus Ghana, die Mutter ist eine Yoruba aus Nigeria und eine in Afrika sehr bekannte Kinderärztin und Kämpferin für Kinderrechte. Selasi hat blendende akademische Referenzen vorzuweisen: einen Summacumlaude-Abschluss der Universität Yale und einen Mastertitel aus Oxford. Sie lebt abwechselnd in New York, New Delhi und Rom. Sie ist Fotografin; aber auch als Schriftstellerin ist ihr ein Blitzstart gelungen.
Zum Schreiben inspiriert wurde sie von Toni Morrison, die in Oxford auf Selasi aufmerksam wurde und ihr eine Zwölf-Monate-Deadline für einen literarischen Text setzte. Pünktlich lieferte Selasi ihre erste Erzählung ab: «The Sex Lives of African Girls», die 2011 in der Zeitschrift «Granta» veröffentlicht wurde und es prompt schaffte, in denBand «Best American Short Stories 2012» aufgenommen zu werden. Ihren Debütroman mit dem Originaltitel «Ghana Must Go» hatte Penguin Press bereits gekauft, ehe er überhaupt fertig geschrieben war.
Auf den ersten Blick wirkt Taiye Selasis Lebenslauf wie eine geradezu mustergültige migrantische Erfolgsgeschichte. Eine westafrikanische Familie, befeuert von Hochbegabung, Schönheit, Zielstrebigkeit, Aufstiegswillen und Durchsetzungskraft, schafft es glanzvoll, sich in die höheren Ränge der westlichen Gesellschaft zu integrieren und verfügt souverän über ihre Aktionsräume zwischen Afrika, England und den USA, zwischen denen sie nach kosmopolitischem Gutdünken hin- und herpendelt. Ein wundervolles, ein bestechendes Narrativ.
Aus diesem Erfolgsbewusstsein einer gelungenen transkontinentalen Integration hat sich Taiye Selasi denn auch eine glänzende kleine Theorie zurechtgezimmert, die sie 2005 unter dem Titel «Bye Bye Babar or: What is an Afropolitan?» veröffentlichte. In diesem Essay, der sie schlagartig berühmt machte, proklamiert sie ein neues afrikanisches Generationsgefühl, basierend auf stolzer Ortlosigkeit, die durch Bildung und Kultur kompensiert wird. Diesem Gefühl, nirgends beheimatet, aber durch kulturelle Aneignung überall zugehörig zu sein, liegen natürlich Taye Selasis eigene Erfolgsbiographie und ihr eigener Lebensstil zugrunde, verallgemeinert zur universalen Erfolgsstory ihrer afrikanischen Altersgruppe. Dafür hat sie viel Zustimmung und internationalen Applaus eingeheimst, nicht zuletzt von fortschrittlichen Westlern, die sich durch das Auftreten hinreiÃender «Afropoliten» in ihrer Mitte in ihrem prinzipiellen Wohlwollen für «Andere» bestätigt sehen.
Was genau ist also ein «Afropolit»? Taiye Selasi beschreibt mit diesem selbst geprägten Terminus eine (ihre) Generation gebildeter afrikanischer Auswanderer, Kinder einer ersten Migrantengeneration von Talentierten und Mittellosen, die in den 1960er und 1970er Jahren Afrika verlieÃen, um im Ausland Universitätsabschlüsse und ihr Glück zu suchen. Sie zitiert eine Studie, wonach bis 1987 etwa ein Drittel der hoch qualifizierten Arbeitskräfte Afrika verlieà und im Westen, vor allem in GroÃbritannien, Kanada und den USA, einen Neuanfang anstrebte.
Während die afrikanische Elterngeneration als Ãrzte, Anwälte, Bankangestellte, Pharmazeuten, Physiker oder Ingenieure die Sicherheit traditioneller Berufe suchte, wagen sich ihre Kinder, die nun Briten,
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