Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
der konkurrenzfähigsten Industriestaaten für das Jahr 2012 führt die Volksrepublik China an, gefolgt von Deutschland, den USA und Indien. Auch noch unter den Top Ten, allerdings auf den hinteren Plätzen, werden Brasilien und Japan genannt.
Ganz anders urteilen die Vorstandschefs, wenn sie in die Zukunft blicken und eine solche Liste für das Jahr 2017 aufstellen sollen. China bleibt vorn, aber Deutschland und die USA sinken auf die Plätze vier und fünf. Japan, bis vor Kurzem noch die zweitgrößte Handelsmacht weltweit, fällt gar ganz aus den ersten Zehn. Die Aufsteiger kommen aus Mittelasien und Südamerika. Ein Erfolg versprechender europäischer Staat ist nicht in Sicht, Großbritannien beispielsweise sackt ab auf Platz 19. Die führenden Industriestandorte in fünf Jahren heißen nach Ansicht der bedeutendsten westlichen Wirtschaftsbosse: China vor Indien (das zwei Plätze nach oben steigt) und Brasilien (das fünf Plätze hinzugewinnt).
»Amerika und Europa mussten mitansehen, welche Reifungsprozesse die aufstrebenden Staaten durchmachten und wie sie sich zu mächtigen Gegenspieler entwickelten«, sagt Craig Giffi, Vizechef von Deloitte in den USA . »Der Trend verstärkt sich rapide.« Und das trotz einiger Faktoren, die für die weitere Wettbewerbsfähigkeit der traditionellen westlichen Machtzentren sprechen. »Nichts war den Top-Managern wichtiger als die Qualität und Produktivität gut ausgebildeter Arbeitnehmer, die Förderung eines Talent-Pools«, referiert Giffi. 85 Prozent der befragten CEO s sind der Meinung, dass diese Voraussetzungen Deutschland und die USA noch eine Weile im Wettlauf um die Spitze halten werden. Sie sehen auch in Sachen Rechtssicherheit, Steuersystem und Gesundheitswesen bei den »Alten« noch erhebliche Vorteile, ebenso bei der Infrastruktur. Aber das Erstaunliche an dem Bericht: Die allermeisten Wirtschaftsführer glauben, dass diese Pluspunkte in den nächsten Jahren schnell dahinschwinden oder eine nicht mehr so entscheidende Rolle spielen. Die neuen Mächte sind ihrer Meinung nach dabei, Wettbewerber ersten Ranges zu werden. China, Indien, Brasilien auf der Überholspur und 2017 schon unter sich auf dem Siegertreppchen – und das trotz der gegenwärtigen Rückschläge, der deutlichen Verlangsamung ihrer ökonomischen Zuwachsraten.
Auch bei dieser Studie mag es den einen oder anderen Einwand geben. Entscheidend ist der Trend, auf den sich die überwältigende Mehrheit der Ökonomen weltweit festgelegt hat: China wird schon im nächsten Jahrzehnt die USA hinter sich lassen und zur führenden Wirtschaft weltweit werden; Exportnation Nummer eins, größter Devisenbesitzer und Eigentümer amerikanischer Schuldverschreibungen – in Hillary Clintons Worten »unser Banker« – ist die Volksrepublik bereits. Indien investiert längst mehr in der EU als umgekehrt, kauft in Afrika riesige Ländereien, besitzt Top-Universitäten sowie einige der führenden Softwarefirmen und gilt inzwischen als mit Abstand größter Waffenimporteur der Welt. Der langjährige Boom-Staat Brasilien, Gastland der Frankfurter Buchmesse 2013, richtet 2014 die Fußballweltmeisterschaft, 2016 die Olympischen Spiele aus und könnte den europäischen Problemländern mit Krediten aushelfen. Brasilien lockt auch nach den jüngsten Unruhen Jobsucher aus dem Westen an. Besonders für die Arbeitslosen der ehemaligen Kolonialmacht Portugal ist das rohstoffreiche und in der Agrarproduktion wie in der Agrarforschung führende südamerikanische Land zur letzten Hoffnung geworden. Alle drei neuen Großmächte haben sich auch längst Sahnestücke aus dem industriellen Repertoire des Westens herausgesucht: China kontrolliert den Hafen von Piräus und die Londoner Taxis, kauft sich bei Daimler ein und sponsert die Münchner Sicherheitskonferenz. Der Jaguar fährt indisch, der deutsche Windanlagenbauer Repower wurde von einer Firma aus Maharashtra übernommen. Und Brasilien beherrscht nach der Übernahme von Anheuser den Biermarkt der Welt.
Der Drache, der Elefant, die Piranhas – diese Symbole bestimmen das Bild. Die Welt ordnet sich um, die Gewichte der Macht verschieben sich dramatisch. Eine tektonische Erschütterung, weg von der Mitte Europas, weg von den Vereinigten Staaten. Es gab keine solche Zeitenwende mehr seit damals, als das chinesische Reich der Mitte, bis weit ins 17. Jahrhundert die einzige ökonomische Supermacht, sich von den technischen Entwicklungen der restlichen Staaten abzukoppeln begann und
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