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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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2008. Vielleicht ließen sich ja sogar Rezepte zur Armutsbekämpfung koordinieren: »Bald holen wir die nächsten hundert Millionen unserer Bürger aus dem Elend und führen sie in die Mittelklasse.« Beim jüngsten Treffen der BRICS im südafrikanischen Durban Ende März 2013 wurden diese Ideen noch einmal vertieft.
    Was der euphorische Inder, Chef des Thinktank Observer Research Foundation in Neu-Delhi, aber nicht sagte: China, Indien und Brasilien haben zwar in der Tat in den vergangenen Jahren große Teile ihrer Bevölkerung aus der absoluten Armut befreit (oder besser gesagt: die Menschen politisch nicht mehr daran gehindert, sich selbst aus dieser Lage zu befreien). Aber ihre Rezepte dafür waren doch sehr unterschiedlich; sie standen sogar in Konkurrenz zueinander. Schwer denkbar, dass sich die großen Drei auf ein gemeinsames Entwicklungskonzept einigen könnten. Zumindest im selbstbewussten Peking dürften wenige bereit sein, sich für fremde Ideen zu begeistern, geschweige denn sie umzusetzen. Die BRICS – in Wirklichkeit also nur ein Versuchsballon? Jim O’Neill, der Erfinder des Konzepts, sah das bei unserem Treffen weitaus optimistischer – von diesem Besuch und seiner Rolle als ökonomischer Chefdenker und Zukunftsguru soll noch ausführlich die Rede sein. Und warum Russland und Südafrika eher zu vernachlässigende Sonderfälle sind.
    Der Fortschritt bringt unbestreitbar auch negative Folgen: China ist inzwischen der größte Energieverbraucher der Welt und hat 2011 die USA auch beim Ausstoß gefährlicher CO 2 -Emissionen abgelöst. Die Volksrepublik ist Klimakiller Nummer eins, in Peking musste im Januar 2013 wegen extremer Luftverschmutzung und akuter Feinstaubgefährdung gar der umweltpolitische Notstand ausgerufen werden. Auch Indien und Brasilien sehen ihr Wirtschaftswachstum durch abgeholzte Wälder, verseuchte Flüsse und gesundheitsschädliche Umweltgifte gefährdet. Die Probleme sind erkannt, was allerdings nicht bedeutet, dass sie auch entschieden genug bekämpft werden. In allen drei Staaten verlangt die wachsende Mittelschicht zunehmend ungeduldig nach good governance , sie will mehr eingebunden sein in politische, wirtschaftliche und juristische Entscheidungsprozesse. Die Schwellenländer müssen sich drängenden Fragen stellen: Wie kann man ein hohes Wirtschaftswachstum über Jahre hinaus stabilisieren, wie lassen sich soziale Errungenschaften nachhaltig durchsetzen? Welche demografischen Voraussetzungen helfen der Entwicklung einer Gesellschaft? Sind demokratische Wahlen, unabhängige Institutionen des Rechts, Presse- und Versammlungsfreiheit ein eher lästiger Luxus oder eine auf die Dauer unabdingbare Voraussetzung für Fortschritt? Und wie bekommt man die endemische Korruption, das extreme Auseinanderdriften von Arm und Reich, von Stadt und Land in den Griff, diese bitteren Phänomene, die alle aufstrebenden Mächte wie Krebsgeschwüre befallen haben?
    Auch zu diesen Fragen gibt es bemerkenswerte Forschungsergebnisse. Alljährlich etwa stellt die unabhängige, in Berlin beheimatete Nichtregierungsorganisation Transparency International mithilfe weltweit anerkannter Experten einen Korruptionsindex aller Staaten auf. Deutschland nimmt im Jahr 2012 hinter den Spitzenreitern Dänemark, Finnland und Neuseeland einen unspektakulären 13. Rang ein. Die fortschrittlichen Drei aber finden sich auf ziemlich unrühmlichen Plätzen. Am besten schneidet noch Brasilien auf Platz 69 ab. China ist 80. und Indien landet gar nur auf Nummer 94 – es befindet sich damit auf trauriger Augenhöhe mit Griechenland, dem am schlechtesten platzierten europäischen Land.
    Noch alarmierender für die neuen Mächte ist der nach dem Bemessungsverfahren eines italienischen Statistik-Experten benannte Gini-Index. Er bewertet die Ungleichheit in der Vermögensentwicklung innerhalb einzelner Länder über längere Zeiträume. Kein Staat hat dabei eine so dramatische Entwicklung genommen wie China. Parallel zu den zweistelligen wirtschaftlichen Wachstumsraten in den vergangenen Jahrzehnten stieg auch der Gini-Koeffizient – allerdings bedeutet hier die höhere Zahl eine Verschlimmerung. Die Volksrepublik, von Mao Zedong 1949 als Staat der Gerechten und Gleichen proklamiert, hat jetzt mit ihren Negativwerten sogar Indien überholt, den Staat, der nach allgemeiner Auffassung für die schlimmsten sozialen Verwerfungen steht.
    Auch in Russland und in den großen westlichen Staaten einschließlich des von der sozialen

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