Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Gremiums diskutieren. Nicht alles geht in der Weltpolitik mit den Großen der Schwellenländer. Aber ohne sie geht nur noch ganz wenig.
Sie kämpfen gemeinsam gegen Umweltauflagen, die ihnen, wie sie meinen, ungerechtfertigterweise vom Westen aufgedrückt werden sollen. Sie haben sich zur Kooperation entschlossen, wo sich ihre jeweiligen Interessen überschneiden. Obwohl die Rohstoffhungrigen in Peking und Neu-Delhi um Energiequellen weltweit konkurrieren, haben sie schon vor 2007 einen erstaunlichen Pakt geschlossen – sie wollen bei Erdöl-Investitionen in Drittländern einander informieren. Sie kennen die gegenseitigen Stärken. Kreatives Chaos und perfektionierte Planwirtschaft könnten sich ergänzen, im Idealfall zu einer Arbeitsteilung zwischen den beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Erde führen. »Ihr seid führend in Software, wir sind führend in Hardware«, hat der frühere Pekinger Premier Zhu Rongji einmal zu einem indischen Kollegen gesagt: »Wer soll uns aufhalten, wenn wir uns zusammentun?« Und immer häufiger wird Brasilien als dritter Partner in dieses Denken einbezogen. Die neuen Mächte fördern den gegenseitigen Handel, um von den Schwankungen des Westens unabhängiger zu werden; China hat gerade die USA als größter Wirtschaftspartner Brasiliens abgelöst.
Vor allem aber arbeiten die drei in der losen Föderation der BRICS -Staaten zusammen, sie bilden das Rückgrat dieses Staatenbunds, dem außerdem noch Russland und neuerdings Südafrika angehören. Die BRICS sind ein seltsames Kunstprodukt ohne jeden historischen Zusammenhalt, dem erst die Realpolitik Leben eingehaucht hat. Jim O´Neill, langjähriger Chefvolkswirt von Goldman Sachs und als schillernder »Rockstar« der Branche bekannt, war im Jahr 2001 auf die Idee gekommen, die seiner Meinung nach besonders aufstrebenden Staaten unter diesem Akronym zusammenzufassen und ihren gemeinsamen Wirtschaftsaufstieg zu prognostizieren. »Nach den Terroranschlägen von 9 /11 wurde mir klar, dass die westliche Dominanz durch irgendetwas anderes abgelöst oder zumindest ergänzt werden müsste. Wenn die Globalisierung weiter Erfolg haben sollte, durfte sie nicht unter amerikanischer Flagge daherkommen«, sagte mir O´Neill im Februar 2013 in London.
Die Idee verfing bei Politikern wie Investoren in aller Welt, auch und gerade in den geadelten Staaten – und führte schließlich dazu, dass sich ihre Spitzenpolitiker regelmäßig zu BRICS -Konferenzen zu verabreden begannen. Um eine koordinierte Außenpolitik konnte es dabei nicht gehen, da stehen sich die großen Drei in vielen Fragen diametral gegenüber. China stimmt in Sachen Wachablösung von Assad kontinuierlich für das diktatorische Regime und steht dabei nicht nur gegen den Westen, sondern auch gegen Indien und Brasilien. Brasilien sieht sich als Führungsmacht der lateinamerikanischen Welt, mit guten Beziehungen zum Westen wie zum Fernen Osten. Indien legt Wert darauf, enger Verbündeter der USA zu sein, Chinas Partner Pakistan gilt als Erzfeind. Und zwischen Neu-Delhi und Peking sind seit dem Waffengang 1962 die Grenzen umstritten. Als die chinesische Führung kürzlich Pässe mit einer integrierten Asien-Karte ausstellte, in der Kaschmir einfach »eingemeindet« war, kam es zu einem scharfen indischen Protest.
Aber unterhalb der ganz großen Weltpolitik näherte man sich an. Beim Treffen Ende 2011 sagte der Politikwissenschaftler Sanjay Joshi, der von der indischen Regierung mit der Ausarbeitung der Agenda beauftragt war: »Als wir vor drei Jahren mit diesen Meetings anfingen, hatten wir uns noch wenig zu sagen, da war alles reine Symbolik. Heute aber eint uns eine neue Erkenntnis: Unsere jeweiligen Erfahrungswerte sind für unsere politischen Entscheidungsfindungen wertvoller als westliche Konzepte.« Die BRICS beschlossen, eine Entwicklungsbank zu gründen, die nur mit Krediten in den Währungen der angeschlossenen Staaten handelt, als Alternative zu der weitgehend von Washington bestimmten Weltbank gedacht. Ein gemeinsames Sekretariat soll gemeinschaftliche städtebauliche Konzepte für die Metropolen erarbeiten. Bald soll jeder Chinese Aktien in den übrigen BRICS -Staaten kaufen können, ohne seine Renminbi in Dollar oder Euro tauschen zu müssen. Für die anderen gilt das im Gegenzug ebenso.
Joshi schwärmt davon, dass die BRICS das erste große Weltforum ohne amerikanische und europäische Beteiligung seien, seine wahre historische Geburtsstunde sei die Finanzkrise von
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