Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten
acht Jahre alt“ – sie markierte mit der Hand eine Höhe über dem Boden, die ungefähr der Körpergröße einer Dreijährigen entsprach –, „da hatte ich die erste Begegnung mit einem Geist. Der Wind wehte durch mein Zimmer“ – sie machte flatternde Gesten mit den Fingern beider Hände und ging dabei in die Knie, um ihre Kleinheit zu demonstrieren – „und mir war kalt. Es war furchtbar dunkel“ – sie schirmte mit den Händen die Deckenbeleuchtung gegen ihre Augen ab, was eher so aussah, als sei sie von extremer Helligkeit geblendet – „und ich hatte geschlafen. Ich lag in meinem Bett, ein kleines, ängstliches Mädchen. Außer mir war niemand im Zimmer.“ Sie sah sich um, als suche sie jemanden. „Jetzt stand ich auf, um das Fenster zu schließen. Da merkte ich, dass es geschlossen war.“ Sie klopfte gegen eine imaginäre Scheibe, so heftig, dass eine echte vermutlich zersprungen wäre. „Das Fenster – es war geschlossen! Ja, und trotzdem wehte ein Wind.“
„Ein Gespenst!“, rief Salvatore. Margarete trat ihm einmal kraftvoll auf den Fuß, dass er ein klägliches Wimmern von sich gab.
„Genau“, fuhr Madame Spectre-Schikorski fort. „Es stand vor mir, fahl und hager“ – sie zog die Schultern hoch, ließ das Kinn sinken und sog die Backen ein – „und es wimmerte wie ein Hund, dem jemand auf den Schwanz getreten war.“
„Wir alle haben solche prägenden Erlebnisse“, warf Salvatore ein. „Bei mir geschah es viel, viel später, als ich eines Sommers …“
„Frau Schikorski“, unterbrach Margarete und gab sich keine Mühe, ihre Unlust zu verbergen. „Wir alle haben schon einmal einen Geist gesehen und sind nicht auf die Untermalungen angewiesen. Wir sind Wissenschaftler. Verraten Sie uns doch bitte, um welche Kategorie von Gespenst es sich damals handelte, und wir werden viel zufriedener sein als uns Ihre Theatereinlagen jemals machen können.“
„Kategorie? Oh, es war gar kein Gespenst.“ Sie ging zu ihrem Stuhl zurück, blieb jedoch unschlüssig daneben stehen, ohne sich zu setzen.
Margarete holte tief Luft, und sie ließ sich so viel Zeit dabei, dass man nebenher eine Orange hätte schälen können. „Sie sagten uns eben, es sei Ihre erste Begegnung mit einem Gespenst gewesen. Einem Gespenst, nicht einem flatternden Vorhang.“ Margarete kniff die Augen zusammen und versuchte, in etwa so gefährlich auszusehen wie eine Bärenmutter, deren Jungen gerade angegriffen werden.
„Entschuldigen Sie bitte! Mir ist bewusst, dass ich das gesagt habe. Aber ein wenig Rhetorik muss doch erlaubt sein!“ Madame Spectre verteidigte sich mit der größten Freundlichkeit. Sie griff Margarete nicht an. Sie tat so, als handle es sich nur um ein Missverständnis. Als würden sie eines Tages die besten Freundinnen sein, wenn sie nur Geduld miteinander hatten.
„Wenn es kein Gespenst war“, fragte Werner Hotten voller Interesse, „was war es dann?“ Am Schluss war seine Stimme ein Flüstern geworden.
„Es war jedenfalls keine Einbildung“, erwiderte Madame Spectre und machte eine langsame, schwenkende Bewegung mit den Armen, wie eine Bauchtänzerin, die auf den Einsatz der Musik wartet. „Und kein flatternder Vorhang.“
„Nicht?“ Salvatore schien vor Neugier zu platzen. Immerhin war er noch geistesgegenwärtig genug, um seine Füße aus Margaretes Nähe abzuziehen.
„Ich war lange Zeit in Behandlung bei Nervenärzten und Psychiatern, wegen dieser Geistererscheinung“, sagte die Schikorski. „Sie haben doch bestimmt alle den Film ‚Der Exorzist’ gesehen. Erinnern Sie sich, wie die kleine Megan diese medizinischen Untersuchungen über sich ergehen lassen musste?“
„Sie hieß Regan“, kommentierte Margarete beiläufig.
„Nein, ich meine, sie hieß Megan“, beharrte Madame Spectre. „Aber vielleicht haben Sie recht, und ich bin diejenige, die sich irrt.“
„Vielleicht“, sagte Margarete.
„Natürlich hatte ich nicht den Teufel im Leib, wie die kleine Megan.“ Sie warf die Hüften ein paar Mal hin und her, ohne erkennbaren Zusammenhang zu ihren Worten. „Aber man stellte fest, dass ich über ein übersinnliches Talent verfüge. Stellen Sie sich vor, wie überrascht ich war! Ich war so überrascht, ich konnte überhaupt nichts mehr sagen. Ich kann … Sie legte die Hände auf die Brust und bewegte sie dann langsam davon weg. „Ich kann einen Teil von mir aus meinem Körper entlassen, und er geht dann ein paar Schritte weit aus mir hinaus. Genau das
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