Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten
gelungen wäre. Sein Nachfolger wird seine Arbeit mit Sicherheit fortsetzen. Wir müssen nur deutlich machen, wie wichtig uns das ist.“
Werner schob das Weinglas von sich. „Manchmal habe ich Albträume“, sagte er plötzlich. Sein rundes Gesicht bekam einen gequälten Ausdruck. „Ich träume, Lorenz wird mit jedem Tag stärker. Weil er in seinem Zimmer irgendwie spüren kann, dass der Mann, der ihm die Zügel angelegt hat, nicht mehr da ist. Und irgendwann … ist es soweit.“
Salvatore legte dem Rektor die Hand auf die Schulter. „Ein Grund mehr, so schnell wie möglich Ersatz für Darren zu finden.“
„Ja.“ Werner schloss die Augen. Er wirkte erschöpft. „Aber ich kenne mich ein wenig aus, und ich muss leider sagen: Es gibt nicht viele von seinem Kaliber in Europa. Vielleicht keinen einzigen. Und unsere finanziellen Mittel sind beschränkt.“
Na wunderbar, dachte Margarete. Jetzt sind die anderen Sorgen, die ich habe, wenigstens nicht mehr ganz so einsam …
2
Wenige Tage später ...
„Sie sind Madame Spectre“, las Werner von seinen Unterlagen ab. Seine Stimme war belegt. „Französin?“
„Ça depent“, lächelte die Frau und schlug die Beine übereinander. Sie trug ein zweiteiliges Kleid aus weißem Nappa-Leder. Der Rock legte ihre sonnengebräunten Beine bis zu den Knien frei, und die Jacke wurde von einem Reißverschluss zusammengehalten, der sich von oben und unten her öffnen ließ. Der Verschluss war weit genug hochgezogen, um einen Blick auf ihren Bauchnabel zu gewähren, und weiter oben war vage ein verspielter schwarzer Spitzen-BH unter dem Leder zu erkennen.
„Ich verstehe Sie nicht. Sind Sie Französin, oder sind Sie keine Französin?“
„Ich komme aus Würzburg“, antwortete sie. „Ich wette, Sie haben es schon erraten. Sie haben einen Blick für so was, nicht wahr? Einen Kennerblick. Vor Ihnen könnte man keine Geheimnisse haben.“ Sie machte einen Schmollmund, der ihrem Gesicht hervorragend stand. Ihre langen schwarzen Haare waren gewellt und mit rötlichen Strähnen durchsetzt. Ihr Lidschatten glühte nahezu so rot wie ihre Lippen. Ihre Augen waren braun und groß und außerdem stark mit Maskara nachgezogen. Wenn sie ihre Haare zurückwarf, was sie oft tat, erkannte man, dass sie mehrere Ohrstecker an jedem Ohr trug. Ihre Züge waren feinherb, Nase und Mund ein wenig zu breit geraten vielleicht, das Kinn ebenfalls, doch sie war trotz oder gerade wegen dieser verruchten Herbheit unbestritten eine Schönheit. Der Erotik, die sie mit ihrem durchtrainierten, weiblichen Körper verströmte, konnte man sich nur schwer entziehen.
„Madame Spectre, dürfen wir Ihren wahren Namen erfahren?“ Diesmal war es Margarete, die das Wort ergriff. Sie saßen zu dritt in dem großen Seminarraum – sie, Werner und Salvatore. Insgesamt drei Interessenten hatten sie zu Vorstellungsgesprächen nach Falkengrund eingeladen.
Diese Frau war die erste, und Margarete war sich von dem Moment an, da die in Leder gehüllte Sexbombe durch die Tür kam, in einer Sache vollkommen sicher: Wenn dieses frivole Weibsstück auf dem Schloss einzog, würde sie ausziehen. So einfach war das. Für sie war das Vorstellungsgespräch schon gelaufen, ehe es begonnen hatte – jetzt musste sie nur noch dafür sorgen, dass die anderen es auch kapierten.
„Keine Geheimnisse, wie gesagt“, erwiderte Madame Spectre. „Ich heiße Ute Schikorski. Kein guter Name, um Karriere zu machen, nicht wahr? Das werden Sie doch verstehen, Frau … äh, wie war gleich der Name?“
„Maus“, sagte Margarete.
„Oh.“ Ute lächelte säuerlich.
„Frau Schikorski. Eine direkte Frage an Sie, damit wir nicht aneinander vorbeireden: Sind Sie eine echte Spiritistin?“
Die Frau sog tief die Luft ein, dass sich ihre Brust dehnte und der Reißverschluss ein wenig hinabglitt. „Alles an mir ist echt. Hundert Prozent.“
„Daran hatten wir keine Zweifel“, ließ sich Salvatore vernehmen und lächelte ein Lächeln, für das ihm Margarete einen IQ von unter 40 attestiert hätte, wüsste sie es nicht besser.
„Alles echt, aha. Der Name war schon einmal falsch“, bemerkte die Dozentin nüchtern.
„Madame Spectre“, sagte Salvatore. „Würden Sie für uns kurz den Verlauf Ihrer Karriere skizzieren?“
Die Frau erhob sich aus ihrem Stuhl. Warum sie das tat, wurde erst ersichtlich, als sie zu gestikulieren begann. Sie schien es zu lieben, ihre Worte mit pantomimischen Einlagen zu untermalen. „Ich war gerade einmal
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