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Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Titel: Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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war leer. Zu meiner Rechten war eine Treppe mit Mahagonigeländer und nackten hölzernen Stufen; zu meiner Linken sah ich eine geschlossene Doppeltür, hinter der sich zweifellos der Salon befand. Geradeaus war noch eine andere, ebenfalls geschlossene Tür, die wahrscheinlich in die Küche führte. Ich zögerte einen Augenblick, entschied mich für die Treppe und wollte schon hinaufgehen, als ich etwas hinter der Doppeltür hörte – ein schwaches Klopfen und daraufhin eine Stimme, die ich nicht verstehen konnte. Ich wandte mich von der Treppe ab und betrachtete die Tür, horchte auf die Stimme. Nichts geschah.
    Ein langes Schweigen. Dann sprach die Stimme wieder, beinahe flüsternd. «Hier drinnen», sagte sie.
    Ich ging zur Tür und drückte mein Ohr an den Spalt zwischen beiden Flügeln. «Bist du das, Fanshawe?»
    «Gebrauch nicht diesen Namen», sagte die Stimme, diesmal deutlich. «Ich erlaube dir nicht, diesen Namen zu gebrauchen.» Der Mund der Person drinnen im Zimmer befand sich auf der Höhe meines Ohres. Nur die Tür war zwischen uns, und wir waren einander so nahe, dass es sich anfühlte, als würden die Worte in meinen Kopf gegossen. Es war, als horchte man auf den Herzschlag eines Menschen in seiner Brust, als suchte man einen Körper nach dem Puls ab. Er hörte auf zu sprechen, und ich konnte seinen Atem durch den Spalt spüren.
    «Lass mich hinein», sagte ich. «Mach die Tür auf und lass mich hinein.»
    «Das kann ich nicht», antwortete die Stimme. «Wir müssen so miteinander sprechen.»
    Ich griff nach der Klinke und rüttelte in meiner Enttäuschung an der Tür. «Mach auf», sagte ich. «Mach auf, oder ich schlage die Tür ein.»
    «Nein», sagte die Stimme. «Die Tür bleibt zu.» Ich war nun überzeugt, dass der dadrinnen Fanshawe war. Ich wollte, dass es ein Betrüger wäre, aber ich erkannte in dieser Stimme zu viel wieder, um mir vormachen zu können, dass es ein anderer war. «Ich stehe hier mit einem Revolver», sagte er. «Und er ist auf dich gerichtet. Wenn du durch die Tür kommst, schieße ich.»
    «Ich glaube dir nicht.»
    «Dann höre», sagte er. Er wandte sich von der Tür ab. Eine Sekunde später krachte ein Schuss, dem das Geräusch von Verputz, der auf den Boden fiel, folgte. Ich versuchte inzwischen, durch den Spalt zu spähen, weil ich hoffte, etwas von dem Zimmer zu sehen, aber der Spalt war zu schmal. Ich sah nicht mehr als einen dünnen Lichtstrahl, einen einzigen grauen Faden. Dann kehrte der Mund zurück, und ich konnte nicht einmal mehr durch den Spalt sehen.
    «Gut», sagte ich, «du hast einen Revolver. Aber wenn ich dich nicht sehen darf, wie soll ich dann wissen, dass du der bist, der du zu sein behauptest?»
    «Ich habe nicht gesagt, wer ich bin.»
    «Lass es mich anders ausdrücken. Wie kann ich wissen, dass ich mit dem Richtigen spreche?»
    «Du musst mir vertrauen.»
    «So spät ist Vertrauen das Letzte, was du erwarten solltest.»
    «Ich sage dir, dass ich der Richtige bin. Das sollte genügen. Du bist an den richtigen Ort gekommen, und ich bin die richtige Person.»
    «Ich dachte, du wolltest mich sehen. Das hast du in deinem Brief geschrieben.»
    «Ich sagte, dass ich mit dir sprechen möchte, das ist etwas anderes.»
    «Wir wollen nicht Haare spalten.»
    «Ich erinnere dich nur an das, was ich geschrieben habe.»
    «Treib es nicht zu weit, Fanshawe. Nichts hält mich davon ab, wieder zu gehen.»
    Ich hörte ein plötzliches Atemholen, und dann schlug eine Hand heftig gegen die Tür. «Nicht Fanshawe!», rief er. « Nicht Fanshawe – nie wieder!»
    Ich ließ einige Augenblicke verstreichen, da ich keinen weiteren Ausbruch provozieren wollte. Der Mund zog sich vom Spalt zurück, und ich bildete mir ein, ein Stöhnen von irgendwo in der Mitte des Zimmers zu hören – ein Stöhnen oder ein Schluchzen, ich konnte nicht sagen, was es war. Ich stand da und wartete und wusste nicht, was ich als Nächstes sagen sollte. Dann kehrte der Mund zurück, und nach einer weiteren langen Pause sagte Fanshawe: «Bist du noch da?»
    «Ja.»
    «Verzeih mir. Ich wollte nicht, dass es so anfängt.»
    «Denk daran, ich bin nur da, weil du mich gebeten hast zu kommen», sagte ich.
    «Ich weiß. Und ich bin dir dankbar.»
    «Es wäre gut, wenn du erklärtest, warum du mich eingeladen hast.»
    «Später. Darüber möchte ich noch nicht sprechen.»
    «Worüber dann?»
    «Über andere Dinge. Über die Dinge, die geschehen sind.»
    «Ich lausche.»
    «Weil ich nicht will, dass du

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