Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen
hatte. Ich war der erhabene Alchimist, der die Welt nach seinem Willen verwandeln konnte. Dieser Mann war Fanshawe, weil ich sagte, dass er Fanshawe sei. Nichts konnte mich mehr aufhalten. Ohne weiter darüber nachzudenken, flüsterte ich Fayaway ins Ohr, ich würde gleich zurückkommen, wand mich aus ihren wundervollen Armen und schlenderte zu dem Pseudo-Fanshawe an der Bar hinüber. Mit meiner besten Nachahmung eines Oxford-Akzents sagte ich:
«Stell dir vor, alter Junge, da sehen wir uns wieder.»
Er wandte sich um und schaute mich aufmerksam an. Sein Lächeln ging langsam in ein Stirnrunzeln über. «Kenne ich Sie?», fragte er.
«Natürlich», sagte ich mit polternder guter Laune. «Ich bin Melville. Herman Melville. Vielleicht hast du einige meiner Bücher gelesen.»
Er wusste nicht, ob er mich als leutseligen Betrunkenen oder als gefährlichen Psychopathen behandeln sollte, und die Verwirrung spiegelte sich in seinem Gesicht. Es war eine herrliche Verwirrung, und ich genoss sie gründlich.
«Ja», sagte er schließlich und zwang sich zu einem kleinen Lächeln. «Ich könnte eines oder zwei gelesen haben.»
«Das über den Wal zweifellos.»
«Ja, das über den Wal.»
«Freut mich, das zu hören», sagte ich und nickte freundlich, und dann legte ich ihm den Arm um die Schulter. «Und nun, Fanshawe», sagte ich, «was führt dich um diese Jahreszeit nach Paris?»
Die Verwirrung kehrte in sein Gesicht zurück. «Verzeihung», sagte er. «Ich habe den Namen nicht verstanden.»
«Fanshawe.»
«Fanshawe?»
«Fanshawe. F-A-N-S-H-A-W-E.»
«Nun», sagte er, entspannte sich und grinste breit, plötzlich wieder seiner selbst sicher, «da haben wir das Problem. Sie haben mich mit jemandem verwechselt. Mein Name ist nicht Fanshawe. Ich heiße Stillman. Peter Stillman.»
«Kein Problem», antwortete ich und drückte ihn ein wenig an mich. «Wenn du dich Stillman nennen willst, soll es mir recht sein. Namen sind schließlich unwichtig. Worauf es ankommt, ist, wer man wirklich ist. Du bist Fanshawe. Ich wusste es in dem Augenblick, in dem du hereinkamst. ‹Da ist der alte Teufel in eigener Person›, sagte ich. ‹Ich frage mich, was er in einem solchen Lokal treibt.›»
Stillman begann die Geduld mit mir zu verlieren. Er schob meinen Arm von seiner Schulter und lehnte sich zurück. «Jetzt ist es genug», sagte er. «Sie haben sich geirrt, und lassen wir es dabei. Ich möchte nicht mehr mit Ihnen sprechen.»
«Zu spät», sagte ich. «Dein Geheimnis ist gelüftet, mein Freund. Jetzt kannst du dich nicht mehr vor mir verstecken.»
«Lassen Sie mich in Ruhe», sagte er, zum ersten Mal wütend. «Ich spreche nicht mit Verrückten. Lassen Sie mich in Ruhe, oder es gibt Ärger.»
Die anderen Leute in der Bar konnten nicht verstehen, was wir sagten, aber die Spannung war offensichtlich geworden, und ich konnte fühlen, wie ich beobachtet wurde, wie sich die Stimmung um mich herum veränderte. Stillman schien plötzlich in Panik zu geraten. Er warf der Frau hinter der Bar einen raschen Blick zu, sah das Mädchen neben ihm ängstlich an und fasste spontan den Entschluss zu gehen. Er drückte mich beiseite und ging auf die Tür zu. Ich hätte es damit genug sein lassen können, aber ich wollte nicht. Ich kam erst richtig in Fahrt und wollte meinen guten Einfall nicht vergeuden. Ich ging zurück zu Fayaway und legte ein paar hundert Francs auf den Tisch. Sie machte einen Schmollmund. «C’est mon frère», sagte ich. «Il est fou. Je dois le poursuivre.» Als sie nach dem Geld griff, warf ich ihr eine Kusshand zu, drehte mich um und ging.
Stillman war zwanzig oder dreißig Meter vor mir und eilte die Straße entlang. Ich hielt mit ihm Schritt, blieb zurück, um nicht bemerkt zu werden, ließ ihn aber nicht aus den Augen. Ab und zu blickte er über die Schulter zurück, so, als erwartete er, dass ich da wäre, aber ich glaube nicht, dass er mich sah, bis wir das Viertel weit hinter uns gelassen und uns von den Menschenmengen und dem Tumult entfernt hatten und durch die stillen dunklen Gassen der Rive Droite streiften. Die Begegnung war ihm unheimlich, und er benahm sich wie ein Mann, der um sein Leben läuft. Aber das war nicht schwer zu verstehen. Ich war für ihn das, was wir alle am meisten fürchten: der streitsüchtige Fremde, der aus dem Schatten tritt, das Messer, das uns in den Rücken sticht, der schnelle Wagen, der uns zermalmt. Er hatte recht zu fliehen, aber seine Angst stachelte mich nur an, reizte
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