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Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Titel: Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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mich hasst. Kannst du das verstehen?»
    «Ich hasse dich nicht. Es gab eine Zeit, in der ich dich hasste, aber darüber bin ich nun hinweg.»
    «Heute ist mein letzter Tag, siehst du, und ich musste mich vergewissern.»
    «Bist du die ganze Zeit hier gewesen?»
    «Ich kam vor ungefähr zwei Jahren hierher, glaube ich.»
    «Und davor?»
    «Da und dort. Dieser Mann war hinter mir her, und ich musste ständig in Bewegung bleiben. Ich bekam ein Gefühl für das Reisen, fand richtig Geschmack daran. Es war gar nicht das, was ich erwartet hatte. Mein Plan war es immer gewesen, still zu sitzen und die Zeit ablaufen zu lassen.»
    «Du sprichst von Quinn?»
    «Ja, von dem Privatdetektiv.»
    «Hat er dich gefunden?»
    «Zweimal. Einmal in New York und das nächste Mal unten im Süden.»
    «Warum hat er gelogen?»
    «Weil ich ihn zu Tode erschreckt habe. Er wusste, was mit ihm geschieht, wenn es jemand herausbekommt.»
    «Er ist verschwunden, weißt du. Ich konnte keine Spur von ihm finden.»
    «Er ist irgendwo. Es ist nicht wichtig.»
    «Wie ist es dir gelungen, ihn loszuwerden?»
    «Ich habe das Ganze umgedreht. Er glaubte, mich zu verfolgen, aber in Wirklichkeit verfolgte ich ihn. Er fand mich natürlich in New York, aber ich entkam ihm – ich schlüpfte ihm direkt durch die Arme. Danach war es wie ein Spiel. Ich führte ihn an der Nase herum, hinterließ überall Spuren für ihn, machte es ihm unmöglich, mich nicht zu finden. Aber ich beobachtete ihn die ganze Zeit, und als der richtige Augenblick gekommen war, stellte ich ihm eine Falle, und er lief mir geradewegs hinein.»
    «Sehr schlau.»
    «Nein. Es war dumm. Aber ich hatte keine Wahl. Entweder das oder zurückgebracht werden – was bedeutet hätte, wie ein Verrückter behandelt zu werden. Ich hasste mich selbst dafür. Er tat schließlich nur seine Arbeit, und ich hatte Mitleid mit ihm. Mitleid widert mich an, besonders wenn ich es in mir selbst spüre.»
    «Und dann?»
    «Ich konnte nicht sicher sein, dass mein Trick wirklich funktioniert hatte. Ich dachte, Quinn könnte doch wieder hinter mir her sein. Deshalb zog ich immer weiter, selbst wenn ich nicht musste. Ich habe dabei ungefähr ein Jahr verloren.»
    «Wohin bist du gegangen?»
    «In den Süden, den Südwesten. Ich wollte dort bleiben, wo es warm war. Ich war zu Fuß unterwegs, schlief im Freien, versuchte, irgendwohin zu gehen, wo nicht viele Menschen waren. Es ist ein riesiges Land, weißt du. Sehr verwirrend. Einmal blieb ich etwa zwei Monate in der Wüste. Später lebte ich in einer Hütte am Rande eines Hopi-Reservats in Arizona. Die Indianer hielten einen Stammesrat ab, bevor sie mir die Erlaubnis gaben, dort zu bleiben.»
    «Das denkst du dir aus.»
    «Ich verlange von dir nicht, dass du mir glaubst. Ich erzähle dir die Geschichte, das ist alles. Du kannst denken, was du willst.»
    «Und dann?»
    «Ich war irgendwo in New Mexico. Eines Tages ging ich in ein Restaurant an der Straße, um einen Bissen zu essen. Jemand hatte eine Zeitung auf der Theke liegen gelassen. Ich nahm sie und las sie. Und da erfuhr ich, dass ein Buch von mir veröffentlicht worden war.»
    «Warst du überrascht?»
    «Das ist nicht ganz das Wort, das ich gebrauchen würde.»
    «Was dann?»
    «Ich weiß nicht. Ärgerlich, denke ich. Bestürzt.»
    «Ich verstehe nicht.»
    «Ich war ärgerlich, weil das Buch Schund war.»
    «Schriftsteller können ihre Arbeit nie beurteilen.»
    «Nein, das Buch war Schund, glaube mir. Alles, was ich schrieb, war Schund.»
    «Warum hast du es dann nicht vernichtet?»
    «Ich hing zu sehr daran. Aber das macht es nicht gut. Ein Baby hängt an seiner Kacke, aber niemand schert sich darum. Es ist seine eigene Angelegenheit.»
    «Warum hast du dann Sophie das Versprechen abgenommen, mir die Arbeiten zu zeigen?»
    «Um sie zu besänftigen. Aber das weißt du ja schon. Das hast du schon vor langer Zeit begriffen. Das war mein Vorwand. Mein wirklicher Grund war, einen neuen Ehemann für sie zu finden.»
    «Es hat funktioniert.»
    «Es musste funktionieren. Ich habe ja nicht irgendeinen ausgesucht.»
    «Und die Manuskripte?»
    «Ich dachte, du würdest sie wegwerfen. Es ist mir nie eingefallen, dass jemand meine Arbeit ernst nehmen könnte.»
    «Was hast du getan, nachdem du gelesen hattest, dass das Buch erschienen war?»
    «Ich ging zurück nach New York. Es war absurd, aber ich war ein wenig außer mir, ich dachte nicht mehr klar. Das Buch machte unwiderruflich, was ich getan hatte, siehst du, und ich

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