Die niederländische Jungfrau - Roman
für einen Fechter. Sie stand da, mit einer Waffe, deren sie vielleicht nicht würdig war, und mit zu geringer Körpergröße. Nicht häßlich, manche fanden sie sogar hübsch, die Geschmäcker sind verschieden. Mein Geschmack war ich nicht. Ich mochte den arischen Typ, so etwas durfte man zehn Jahre später schon nicht mehr sagen, doch ich mochte wirklich blond, blauäugig, kernig. Es gab Jungen, die meiner Haut wegen, die die Farbe von jungen Walnüssen hatte, in mich verliebt gewesen waren, doch ich hatte abgewunken. In meinen Tagträumen sah ich ganz anders aus. In Maastricht stieß eine Fechterin mich mit der Nase auf die Tatsachen. »Im Spiegel bist du viel hübscher!« hatte sie ausgerufen und dann hastig hinzugefügt: »Ich meine, du weißt doch, wie ich das meine?« Doch es war bereits passiert, um mein Selbstvertrauen war es für alle Zeiten geschehen. Die Janna im Spiegel setzte besser eine Maske auf, dann würde alles gutgehen. Maskiert gewann ich meine Wettkämpfe, auch gegen die neidische Zicke im Verein. Auf Raeren hingen die Masken an einer Leiste an der Wand. Eine paßte gut, aber niemand sah mich. Von unten, aus dem Garten, tönte von Böttichers Stimme böse herauf. Heinz bekam’s voll ab, es ging um den Teich und tote Fische. Ich hängte die Maske zurück, legte meine Waffe hin und schlich aus dem Saal.
In der Küche mußte ich nicht lange suchen. Das Buch lag mitten auf dem Schlachtblock. Auf dem Umschlag: Gastrosophie. Ein Brevier für Gaumen und Geist . Innen viele Bilder, anscheinend kolorierte Fotos. In Pastelltönen angerichtete Fischplatten. Ein gebratenes Ferkel, die Füße in einem Linsengericht. Auf den Mittelseiten dunkelrote Fleischlandschaften, ein Schlachtermesser in einer bleichen Hand demonstrierte: So durchschlagen Sie das Rückgrat eines Lamms, beinen Sie eine Schweinshaxe aus, schneiden Sie die Sehnen aus Rinderfilets. Die Abbildungen ähnelten denen im Behandlungszimmer meines Vaters, auf denen ein menschlicher Körper so seziert war, daß Muskeln, Organe und Knochen freilagen. Als Kind konnte ich nicht glauben, daß sich auch in meinem Kopf ein solcher Totenschädel verbarg. So trennen Sie die Schulter von einem Vorderbein, zeigte die Schlachterhand. Der Umschlag lag nicht mehr im Buch.
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Alles geschah diesseits des Tors. Nur die Clematis wuchs über die Mauer, dahinter knarrte manchmal ein Bauernwagen den Weg entlang. Den Geräuschen nach zu urteilen passierte da draußen nichts, dessentwegen man Lust bekäme, das Anwesen zu verlassen. Vielleicht kam der Moment ja noch, da ich panisch vor Angst über die Mauer klettern mußte, das schloß ich nicht aus, doch in jenen ersten Tagen hatte ich noch zu viel zu erkunden. Im Apfelgarten hatte ich eine Leiter gesehen, die hoffnungsfroh an einem Baum voller harter grüner Früchte lehnte. Heinz hatte viel Arbeit mit dem Garten. Efeu wucherte über die Rosenlauben und Blumenbeete, im Küchengarten hatte das Gemüse groteske Formen angenommen. Außer Rand und Band geratene Fülle. Bevor Heinz auch nur einen Blick darauf werfen konnte, hatte er den ganzen Vormittag hinter dem Haus zu tun. Dort standen die Tiere. Die Pferde keilten schon um sechs Uhr morgens gegen die Stalltür, das Kleinvieh kreischte in seinen Verschlägen. Ich sah ihn von der Terrasse aus, er mich jedoch nicht, unser Gärtner aus der Keksfabrik, fluchend sprach er zu etwas in Kniehöhe: »Du Mistvieh. Ich drück dich mit der Nase rein. Wart bloß, ich drück dich rein.« Doch er bekam nicht zu fassen, was da unter rostigem Kreischen herumrannte. Er zog seine Gabel heraus und arbeitete weiter. Er hatte sich bereits damit abgefunden. Sein exzentrischer Chef behandelte die Tiere besser als sein Personal und sah über ihre Ausscheidungen hinweg wie Backfische über die Pickel ihrer Verehrer.Diese ganze Tierutopie war eine einzige Illusion und Lüge. Das wußte niemand besser als Heinz. Er und kein anderer stand jeden Morgen bis zu den Knöcheln darin, in all dem Edlen, was Tiere auf dieser Erde produzieren, Himmelherrgottnochmal, das konnte ich ihm glauben. Nur um die Rinder am Hang brauchte er sich nicht zu kümmern. Die gehörten einem benachbarten Bauern, ein schweigsamer Mann, der immer in einen Fliegenschwarm gehüllt war, genau wie sein Vieh. Wenn es warm war, lagen die Rinder auf ihren eingeschlagenen Beinen. Kam man näher, rappelten sie sich auf, und man hörte das Gluckern und Brodeln in ihren großen Leibern. Sie ließen sich nicht streicheln, schlangen
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