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Die niederländische Jungfrau - Roman

Die niederländische Jungfrau - Roman

Titel: Die niederländische Jungfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Maske. Sie schützt ihre Augen, behindert jedoch die Sicht. Sie verbirgt ihre Unsicherheit, aber auch diesen anderen Blick, der zu töten vermag. Jeder Fechter hat schon einmal, in der letzten Sekunde eines Angriffs, ein höhnisches Lächeln im feinen Drahtgeflecht ihm gegenüber entdeckt und gespürt, wie sein Griff erlahmte. Vielleicht bildete ich mir das nur ein, doch auf Lenis Gesicht lag plötzlich ein solches Lächeln. Sie war mit der Wäsche erschienen und sah ganz sicher den Brief auf der Fensterbank. Ihr Blick verriet mir, würde sie den Mund öffnen, kämen Worte heraus, die mein Abenteuer zermalmten. Sie würde ein Urteil fällen, wie man morgens ein Lagerfeuer mit einem Eimer Wasser löscht. Sie würde das alles selbst erlebt haben, ihr vom vielen Arbeiten müder Hintern wäre von genug Händen betatscht worden – was sie mir nicht alles erzählen würde! Ich wollte nicht hören, während sie das Kopfkissen neu bezog, daß Männer nur an eines dächten, daß es keinen Unterschied gebe zwischen Egon und dem Kümmerling, zu dem sie sich jeden Abend ins Bett legte. Über den Brief würde sie triumphierend sagen, daß die Geschichten, die kursierten, offensichtlich wahr seien. Und was diesen Krieg betreffe, den habe sie miterlebt, nicht ich. Sie würde mich auslachen, als wäre ich ein Kind, das eine kleine Geschichte geschrieben hat, und die schmutzige Wäsche hinaustragen wie jeden Tag.
    Inzwischen war die Frage, was ich eigentlich auf Raerenzu suchen hatte, so überflüssig wie vieles hier. Im Garten trieb das Gemüse bereits Blüten, ohne mehr gegessen zu werden. Heinz erging sich weiter in wohlbegründeten Tiraden gegen das Schwein. Seine Frau rückte Biedermeierstühle zurecht, auf die sich niemand zu setzen wagte. Wer hatte sie einst dort hingestellt und warum? Fragen wurden auf Raeren nicht gestellt, der Hausherr strahlte aus, daß man auf Antworten lange warten konnte. Ich nannte ihn weiter Herr von Bötticher, meinen Meister. Er gab mir weiterhin Unterricht. Am nächsten Morgen erwartete ich ihn im dunklen Fechtsaal. Die Nacht hatte Wolken am Himmel zurückgelassen, die einfach nicht weichen wollten. Schon recht, im Dunklen kann man Dinge noch überlegen, dies war ein Wetter, bei dem man sich die Augen reibt, ohne einen Beschluß zu fassen. Aber dann kam er herein, mit seinem üblichen synkopischen Schritt. Er knallte das Licht an und schenkte mir einen Blick, der durch und durch gleichgültig war. Als ich mich umdrehte, stand ich Auge in Auge mit einem abgekämpften Schemen im Spiegel. Einer Nachteule, noch dazu einer sehr beschämten. Es würde bestimmt eine Woche dauern, bevor ich mich selbst wieder sah. In der Zwischenzeit begutachtete der Meister meine Fechthaltung. An dieser Justierung war nichts erotisch. Die Inspektion meines Fußes, der Hand, des anderen Fußes, der anderen Hand war ein Ritual, wie Jäger es immer wieder mit ihrem Gewehr vollziehen, obwohl sie wissen, daß es nicht am Lauf liegt, wenn ein Hase der Kugel entwischt. Schon bald begann ich mich aufzulehnen, mich über seine Anweisungen hinwegzusetzen, angefangen bei diesem idiotischen Stundenplan. Ich hatte gehofft, etwas würde zerbrechen, und sei es auch nur einer dieser Biedermeierstühle, oderjemand würde die Geduld verlieren. Aber keiner sagte etwas. Es wurde keine Erklärung verlangt, wenn ich nicht zum Frühstück erschien oder zu spät zum Unterricht kam. Manchmal wartete ich auf der Terrasse, bis aus dem Saal das Stampfen und Schurren der Säbelfechter drang, und ich ging erst hinein, wenn der Meister die Zwillinge angeschrien hatte, in der Hoffnung, seine Wut würde sich auch gegen mich richten. Bei anderen Malen ging ich vorzeitig weg, um Heinz aufzutragen, Loubna zu satteln. Nur das Pferd hörte zu. Ein einfühlsames, fünfhundert Kilo schweres Zuhören. Mit gebogenem Hals und aufgestellten Ohren duldete sie mein Gewicht. Manchmal, wenn ich mich vorbeugte, um ihr die Bremsen vom Rumpf zu schlagen, sah sie mir direkt in die Augen. Es ist erstaunlich, daß Tiere den Blickkontakt mit Menschen suchen. Daß sie verstehen, daß es bei diesen Nichttieren auf die Augen ankommt, nicht auf die Position der Ohren und Nase, daß ein Blick gegenseitigen Einvernehmens mit diesen Wesen gewechselt werden muß, bei denen die Augen in einem unbeweglichen Gesicht dicht nebeneinander sitzen und nicht weiter als 140 Grad rundum sehen können. Unsere Freundschaft war nicht unbemerkt geblieben. Der Meister kam vorbei und streckte den

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