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Die niederländische Jungfrau - Roman

Die niederländische Jungfrau - Roman

Titel: Die niederländische Jungfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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zurück, das wie alle Déjà-vus verflog, sobald ich nach seinem Ursprung zu suchen begann. Wo hatte ich diese riesenhafte Helene schon mal gesehen? Die Flammen aus ihrem lorbeerumkränzten Kopf, ihre ausgestreckte, glühend heiße Hand, ich kannte es bereits, wußte bereits, was jetzt kam: »Eine olympische Fackel«, sagt der eine. »Nein«, sagt der andere, »die heilige Jungfrau.«Es muß ein Traum gewesen sein, ein kleiner Webfehler im Schlaflappen. Da begann sie auch schon zu sprechen, sie sagte, ich müsse fort, da ich hier nichts lernen würde, obwohl ich doch deswegen gekommen sei. Ich nickte. Sie hatte wirklich recht, die riesenhafte Helene, Tagtraum hin oder her.
    Die Realität drängte sich dazwischen mit dem Wiehern eines Pferdes. Über der Stalltür die Nase im Wind. Als ich hinging, rammte sie mir diese fünfzehn Kilo Geruchsorgan gegen die Jacke, das sanft knabbernde Maul darunter würde mir nicht sagen, wie ich sie zu satteln hätte. Das machte Heinz immer, doch was ich jetzt wollte, ging ihn nichts an. In der Putzkammer legte ich mir den schweren Sattel über den linken Arm, während ich mit der rechten die Trense von der Wand nahm, eine Filzschabracke fand ich auf dem Ofen. Damit sollte es zu schaffen sein, dachte ich, aber als ich der Stute das Gebiß vors Maul hielt, biß sie die Zähne zusammen mit der Unvernunft eines Tiers, das klüger aussieht, als es ist. Ich hatte beobachtet, wie Heinz mit einem Finger zwischen Loubnas Zähnen rummachte, bis sie die Kiefer auseinandernahm, doch vor Megairas gelbem Grinsen graute mir. Im Dorf meiner Oma wohnte ein Mann, der auf diese Weise zwei Finger verloren hatte. Grausliches Pferd. Schwarzer Teufel.
    »Du Mistvieh, jetzt hilf mir doch.«
    Die Stute sah mich keck an. Dieses Tier hatte keine Eile. Ich hatte gehofft, sie würde ihrem Herrn folgen, ohne daß ich wußte, wohin, mit dieser schweren Nase konnte sie ihn auf hundertfünfzig Meter Entfernung riechen, doch bis ich ihr alles auf- und umgelegt hatte, verging eine halbe Stunde. Als ich die Stalltür öffnete, bekam sie einen Rappel. Sie begann, sich um sich selbst zu drehen, so daßich, einen Fuß im Steigbügel und die Zügel in meiner unsicheren Hand, hinter ihr her hüpfen mußte. Wenn Heinz mich erwischen würde, müßten wir so schnell wie möglich fort, aber ich bekam nicht einmal die Chance, ihr die Sporen zu geben. Sobald ich im Sattel saß, schoß sie davon. Ich blickte voller Grausen auf ihren heftig ruckenden Pferdehals, eine von Fluchtdrang gespeiste Turbine, die, einmal angeworfen, von keiner Menschenhand mehr zu stoppen wäre. In engem Bogen schoß sie durchs Tor, schnurstracks auf den Wald zu. Es wurde bereits dunkel, was war in mich gefahren? Wenn ich fiele, würde ich unsanft landen, und weiß der Himmel, wo … Sicherheitshalber duckte ich mich. Nicht tief genug. Ein Ast griff mir ins Haar, meine Beine erschlafften, als letztes sah ich das Weiß ihrer Augen, ihre weit geblähten Nüstern. Ich wußte, ich würde fallen, beziehungsweise beschloß, es zu tun. Als das Pferd weg war, nahm die Erde mich in sich auf. Am liebsten wäre ich liegengeblieben, in meinem Fechtanzug mitten im Laub, doch durch den Wald galoppierte ein Pferd, das nicht davonlaufen durfte, ein Teufel, der ein Versprechen einlösen, einen Krieg gewinnen mußte, der verfluchte Kämpfer und Fremdling, wie Herodot ihn beschrieben hat. Schwindlig lief ich los. Der Wald glich einem Guckkasten mit ausgeschnittenen Bäumen, die auf einen schummrigen Hintergrund geklebt waren. An ihren Kronen war kein einziges Blatt mehr, übriggeblieben war nur eine bizarre Klöppelarbeit, beschienen von einem Mond, den ich nicht finden konnte. Vor mir, auf dem Weg, tanzten kleine Laternen. Ich blinzelte, aber sie verschwanden nicht. Hätte ich gewußt, daß es Glühwürmchen waren, wäre ich vielleicht ruhiger gewesen. Dann hätte ich auch begriffen, daß die Pfeiftöne aus dem Gebüsch von Fröschen stammten.Einen Moment lang glaubte ich, verzweifelte Trabschritte zu hören. Ich hielt den Atem an, doch das Geräusch erstarb. Wie sehr empfand ich meine Unzulänglichkeiten, die Taubheit meiner kleinen Sinnesorgane, das Unvermögen meiner asymmetrischen Gliedmaßen und – »Megaira!« – meine dürftige Stimme, während die Stute das alles, spielend leicht, aus der Ferne wahrnahm. Die Initiative lag bei ihr. Sie konnte beschließen, zu mir zurückzukommen, ein opportunistisches Bündnis zu schließen im Tausch für einen Bissen vom Acker,

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