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Die niederländische Jungfrau - Roman

Die niederländische Jungfrau - Roman

Titel: Die niederländische Jungfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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man auf einem fremden Hof zurückgelassen hat. Die beiden Männer saßen also da, die Flasche zwischen sich, und kauten an ihren Gedanken. Sie mußten schon früher miteinander gesprochen haben. Es waren Pläne geschmiedet worden, die ins Wasser gefallen waren, jetzt mußten sie sich in die Augen sehen und sich eine Lösung ausdenken. Doch ein Dritter trat in die Küche, und ihre Gedanken kamen zum Stillstand.
    »Ich habe etwas liegenlassen.«
    Eine Stimme, weich wie Öl. Friedrich.
    »Na, dann aber fix. Hier.«
    Gefeixe. Ich drückte mich an die Wand. Verdammt noch mal, der kam in meine Richtung! Als Licht einfiel, duckte ich mich hinter den Kabinenkoffer.
    »Was machst du denn hier?« flüsterte er zu laut.
    »Tür zu!«
    Er zündete die Laterne an und stellte sie in die Ecke. Danach kam er auf Händen und Knien zu mir.
    »Wußtest du, daß hier viele Geheimnisse verborgen sind? Ich kann sie dir zeigen.«
    Ich unterdrückte ein Grinsen. Du bildschöner Ephebe, du bist nicht der einzige, der in den Schatzkammern seines Paidotriben herumschnüffelt … »Jetzt nicht. Warten wir, bis sie weg sind.«
    »Da kannst du lange warten, er trinkt Schnaps mit diesem Kerl, du weißt schon, diesem komischen, der damals wütend vom Essen weggerannt ist.«
    »Der Unparteiische.«
    »Der säuft da in vollem Ornat. Warum war Heinz eigentlich nie bei der SA oder was davon übrig ist? Hat von Bötticher wohl nicht erlaubt. Na ja, mein Vater sagt trotzdem, daß sich da heutzutage nur Gesocks rumtreibt. Alles Plebs, wie unser Heinzi. Da geht man besser gleich zur Wehrmacht, sagt er.«
    Er schwieg, im gelben Licht sah ich, daß sich auf seinen Augen eine wäßrige Schicht gebildet hatte. Er rutschte noch näher zu mir heran, da roch ich, daß er getrunken hatte.
    »Darf ich dich küssen?«
    Wie es sich gehört, hatte der Ephebe Haare über der Oberlippe, aber noch nicht am Kinn. Vor der Versammlung der demotoi hatte er bei den Göttern, den Oliven und Feigen seines Vaterlandes zu schwören, alles zu verteidigen, was unverdorben war. Tat er das? Ich schob ihn von mir. »Nur wenn du mich verteidigst.«
    Er nickte gierig. »Jederzeit.«
    In der Küche räusperten sich die Männer. Was sie beschlossen hatten, sprachen sie nicht aus. Hielten sie die Türen ihres mißtrauischen Geistes voreinander verschlossen oder wußten sie, daß sie belauscht wurden, und konspirierten daher mit Hilfe von Gesten?
    »Machen wir das Beste draus, wo wir schon mal hier sind«, sagte die Ziegenbockstimme schließlich.
    »Zu essen ist genug da.«
    »Wir sind nicht zum Essen gekommen.«
    »Vielleicht ist er am Abend wieder zurück.«
    »Dann wird ihm ein Licht aufgehen. Na gut, darüber sprechen wir später noch. Erst ein Schluck.«
    Friedrich legte meine Hand auf seine Brust. Er glühte, ich zitterte. Nein, mir sei wirklich nicht kalt, flüsterte ich, aber schon schob er seine Hände unter meinen Po, umfaßte das Hügelchen in meinem Trikot und zog mich an sich. Ein Bündelchen Frau, wegtragbereit. Ich umschlang seinen Hals mit beiden Händen und küßte ihn, er bekam kaum Luft, ich sog seine Wärme ein. In der Küche schenkte man sich noch einmal ein, murmelte, pflichtete bei. Ich schob meine Zunge über seine. Er erkundete mich mit einem Untergriff, ich ihn mit einem Obergriff.
    »Keiner wird schlau aus ihm. Ich erinnere mich, wie er mal von einem Besuch in der Garnison in Aachen zurückkam …«
    »Von Bötticher? Kennt er die da?«
    »Ja, er kam betrunken zurück, sagte zu Leni, die würden alle nichts taugen. Wenn die Franzosen wollten, könnten sie unsere Leute auf Socken zurückjagen, über den Rhein und noch weiter.«
    »Der Schuft! Ich vermute, sogar die Franzmänner bewundern den Führer dafür, was er da gedeichselt hat. Scheißt einfach auf Locarno. Darauf trinke ich.«
    Was immer sie tranken, sie tranken es schnell. Sie schenkten die Gläser halbvoll und kippten den Inhalt in einem Zug herunter. Friedrich beugte sich über mich. Er wirkte jetzt muskulöser, oder war einfach angespannt wie eine Feder, aber im Halbdunkel und in der Stille, die wir bewahren mußten, spürte er, was geschehen mußte, als stünde es in Braille auf meinen Körper geschrieben. Zufrieden stellte ich fest, daß mein Trikot seine Hand fest an Ort und Stelle hielt. Wir würden sehen.
    »Was für ein Schuft, dieser von Bötticher, so was zu sagen. Weißt du, Heinrich, ich war dabei, als sie in diesem Frühjahr über die Brücke in Köln marschierten. Ein großartiger Anblick.

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