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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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andere Dinge auf, manchmal nicht, manchmal hörte sie knarrende oder krachende Geräusche, manchmal glitten Teile der Wand zur Seite, manchmal läuteten Glockenspiele. Das Ei erwachte um sie her zum Leben - auf eine Weise, die sie zugleich ängstigte und faszinierte und beruhigte, weil sie spürte, daß es dasselbe wollte wie sie, daß seine Zeit abgelaufen war, so wie ihre Zeit abgelaufen war, daß es einsam und verlassen da lag, so wie sie seine Höhlen einsam und verlassen durchwanderte.
    Schließlich fand sie den Weg ins Herz des Eies, wo Dinge murmelten, die sie nicht verstehen konnte, hinter dicken Wänden von einer Härte, die gewaltiger war als die von Stein, und dieses Murmeln war wie das Schlagen ihres eigenen Herzens hinter den Wänden ihres Fleisches. Hier fühlte sie das Leben des Eies stark pulsieren, so stark, daß es schwerfiel zu atmen. Keuchend, wobei der Schweiß an den Seiten ihres Kopfes hinunterperlte, der Dunkle Zwilling in ihr mächtig, lachte sie ihren Triumph hinaus, während sie das Leben des Eies in sich eindringen und seinen Triumph mit ihr hinauslachen fühlte, und sie lief an den Wänden entlang und berührte all die glatten Rundungen, die sie erreichen konnte, und lachte noch mehr, als sie unter ihren Berührungen aufleuchteten und das Leuchten über ihr Gesicht und ihre Arme schmeichelte. Und der summende Ton wurde lauter und lauter, bis er in ihren Ohren dröhnte, bis er ihren Kopf füllte …
    dann überlagerte ein anderes Geräusch das Summen, als würde das Ei versuchen, zu ihr zu sprechen, ein lautes und hastiges Klicken wie die Geräusche, mit denen sich die Dämonen untereinander verständigt hatten. Sie beendete ihren Rundgang und stellte sich in die Mitte des Raumes, nahe bei den Dingen, die jetzt wie im Sprühregen eines Buiba gefangene Insekten summten. „Brenne!” rief sie dem Ei zu.
    „Brenne mit mir!”
    Der Boden zitterte unter ihren Füßen. Sie fühlte, wie er sich hob.
    Ein Geräusch der Todesqual brach aus den summenden Gegenständen, ein lärmender Rhythmus, als würden sie gegeneinander kämpfen. Das ganze Ei schüttelte und bewegte sich und schleuderte Roha nieder - der Boden kippte unter ihr weg. Sie wälzte sich herum, kauerte sich in eine Ecke, zog die Knie an die Brust und schlang die Arme darum. „Brennt!” sagte sie zu den summenden Dingern, ihre Stimme jetzt ruhig, so wie sie innerlich ruhig war, da sie begriff, daß der Augenblick des Endes gekommen war, obwohl sich das Ei noch immer wehrte, als würde es dies alles überhaupt nicht verstehen - es kämpfte wie ein gefangenes Tier um seine Freiheit.
    Hitze strömte über sie hinweg, Hitze, die aus den summenden Dingern schnappte, die Luft ringsum erfüllte, in die Schale des Eies biß
    überall … Ihr Körper brannte, wo er das Ei berührte, immer heißer …
    Und sie riß sich energisch zusammen, erwartete die endgültige Verbrennung, die Verbrennung, die sie von ihren Schmerzen erlösen würde, aber die Schmerzen dauerten an, immer länger, ihre Haut warf Blasen, wo sie das Ei berührte, und die Luft rief selbst in ihr Blasen hervor. Es war nicht so wie in ihrem Traum … nicht dieses langsame Verglühen … Wo war das Feuer, das schnelle, reinigende, befreiende Feuer? Sie versuchte über den sich verziehenden Boden zu der Höhle hinauszukriechen, in diesen Gang, durch den sie hierhergekommen war. Und fiel wieder.
    Dann tat sich das Herz des Eies vor ihr auf, in einem einzigen, schrecklichen, wunderbaren Augenblick brachen die summenden Gegenstände auseinander, und sie sah ihre großen, leuchtenden Herzen. Dieser Glanz, der wie das Feuer der Sonne war, berührte sie, und dann gab es keinen Schmerz mehr - nur noch das Nichts, das sie herbeigesehnt hatte.
    Im Nebelland explodierte das Haestavaada-Schiff und löste eine gewaltige Detonationswelle aus, die hundert jungen Vulkanen die Geburt schenkte, deren aschebefrachteter Odem tagelang den Himmel verdunkelte und die Rum aller Sippen ängstigte. Die Sklavenfrauen der Fieyl jedoch raunten untereinander, dies sei das Dahingehen des verfluchten Zwillings, des Dunklen, der den stolzen Amar den Niedergang gebracht hatte. Gawer Hith beobachtete die sich ausbreitende Finsternis und begann für sich und die anderen Frauen das Lied von Roha zu erdenken. Später sangen die Amar-Sklavinnen das langsame, traurige Lied, um die Stunden schneller vergehen zu lassen, während sie in den Gartenlichtungen der Fieyl arbeiteten.

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